24.11.2024
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Verwaltungsgericht Kassel Beschluss11.05.2006

Anwohner muss einmalige Musik­ver­an­staltung in Nachbarschaft hinnehmen - Zumut­ba­r­keits­schwelle nicht überschrittenEilantrag eines Anwohners gegen eine Benefiz-Aktion für Kassler Grundschulen abgelehnt

Das Verwal­tungs­gericht Kassel hat einen Eilantrag eines Anwohners gegen die Geneh­mi­gungs­behörde des Landkreises Kassel, die am 13. auf den 14.05.2006 in der Zeit von 16.00 bis 2.00 Uhr auf dem Grundstück der "Alten Ziegelei Lohöfer" in 34260 Kaufungen, Leipziger Straße, vorgesehene (Musik-)Veranstaltung zu untersagen, hilfsweise zumindest Anordnungen zu treffen, die geeignet sind, die durch die geplante Veranstaltung zu befürchtenden schädlichen Umwelt­ein­wir­kungen, insbesondere in Form von erheblichen Nachteilen und Lärmbe­läs­ti­gungen auf das zulässige Maß zu begrenzen, abgelehnt.

Die Gemeinde Kaufungen habe gerade wegen des zu erwartenden Lärms unter dem 11.05.2006 Auflagen zur Gestattung des vorgesehenen vorübergehenden Gaststät­ten­be­triebs erteilt, wodurch u.a. geregelt worden sei, dass evtl. notwendig werdenden Anordnungen von Polizeibeamten oder Bediensteten des zuständigen Ordnungsamtes unverzüglich Folge zu leisten sei. In einem Telefongespräch habe der Veranstalter dem Gericht zudem versichert, dass er alles tun werde, um die ihm nachträglich noch erteilten Auflagen einzuhalten und evtl. Weisungen Folge zu leisten.

Ein Einschreiten der Immis­si­ons­schutz­behörde des Landkreises sei daher nicht mehr nötig, um vom Antragsteller wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Dies gelte auch, soweit eine Verstär­ke­r­anlage eingesetzt werden solle. Zwar dürften davon keine schädlichen Umwelt­ein­wir­kungen ausgehen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet seien, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Gerade in Bezug auf die Zumut­ba­r­keits­schwelle von Geräu­schim­mis­sionen von Musik­ver­an­stal­tungen bestünden jedoch keine rechts­ver­bind­lichen Immis­si­ons­grenzwerte zum Schutze der Nachbarschaft.

Daher unterliege es allein der richterlichen Würdigung unter Berück­sich­tigung der einzelnen Schal­le­r­eignisse, ihres Immis­si­onspegels und ihrer Eigenart und ihres Zusammenwirkens die Erheblichkeit der Beein­träch­tigung zu beurteilen. Für die Beurteilung der Erheblichkeit von Geräu­sch­be­läs­ti­gungen i.S.v. § 3 Abs. 1 BImSchG seien im Einzelfall neben den zu erwartenden Lärmwerten insbesondere die Dauer und die Häufigkeit derartiger Immissionen von Bedeutung; so sei z.B. bei einem nur einmaligen Ereignis eine großzügigere Handhabung der zugrunde gelegten Richtwerte geboten als bei regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen. Des Weiteren sei bei seltenen Ereignissen auch die Bedeutung der jeweiligen Veranstaltung z.B. - wie bei Dorffesten - für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft und ihrer Identität von Bedeutung. Je höher der Stellenwert des Ereignisses desto eher würden mit ihnen verbundene Lärm- und Geräu­sch­ent­wick­lungen von der Mehrzahl der betroffenen Personen bei Würdigung auch anderer Belange akzeptiert werden. So könnten z.B. bei sehr seltenen, nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen von kommunaler Bedeutung Lärmein­wir­kungen zulässig sein, die die für die Abend- und Nachtzeit aufgestellten Richtwerte überschritten. Zwar gebühre nach 22.00 Uhr dem Schutz der ungestörten Nachtruhe grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen. Vorrang könne aber solchen, sehr seltenen Ereignissen dann zukommen, wenn sie auf historischen oder kulturellen Umständen beruhten oder sonst von kommunaler Bedeutung seien und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiege.

Bei der vorgesehenen Veranstaltung handele es sich um eine zumindest für das Jahr 2006 einmalige Veranstaltung, die darüber hinaus zwar nicht einen kulturellen, historischen oder sonst wie für die Dorfge­mein­schaft wichtigen Charakter aufweist, die aber immerhin als Benefiz­ver­an­staltung für einen guten Zweck gedacht sei. Daher sei die Kammer der Auffassung, dass vorliegend die Immis­si­ons­richtwerte für seltene Ereignisse gemäß Ziff. 6.3 der TA Lärm zu gelten hätten. Das bedeute, dass der Beurtei­lungspegel tagsüber 70 dB(A) und nachts 55 dB(A) dauerhaft erreichen dürfe. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürften sogar tagsüber um zu 20 dB(A) und nachts um bis 10 dB(A) darüber liegen. Die Gemeinde Kaufungen habe genau die skizzierten Beschränkungen für die Musikd­a­r­bie­tungen als Auflagen zur Gestattung des vorübergehenden Gaststät­ten­be­triebs auf dem Grundstück der Alten Ziegelei erlassen. Dies reiche zur Abwendung wesentlicher Nachteile des Antragstellers im Zusammenhang mit der geplanten Veranstaltung aus.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Kassel vom 12.05.2006

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