Verwaltungsgericht Gießen Beschluss01.10.2025
Stadt muss AfD-Kreistagsfraktion das stadteigene Bürgerhaus für einen Bürgerdialog zur Verfügung stellenEilantrag der AfD-Kreistagsfraktion auf Überlassung eines der stadteigenen Gemeinschaftshäuser der Stadt Lich erfolgreich
Die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen hat dem Antrag der AfD-Fraktion des Landkreises Gießen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben, mit dem die Überlassung eines der Gemeinschaftshäuser der Stadt Lich begehrt wurde. Die Stadt Lich ist nunmehr verpflichtet, der Fraktion eines der stadteigenen Gemeinschaftshäuser am 11. Oktober 2025 zu überlassen. Das Gericht hat der Stadt Lich zudem aufgegeben, eine Entscheidung darüber zu treffen, welches der Gemeinschaftshäuser sie der Fraktion für ihre Veranstaltung am 11. Oktober 2025 überlässt und die Fraktion über ihre Entscheidung bis zum 6. Oktober 2025 um 11 Uhr zu informieren
Die Fraktion plant die Durchführung eines „Bürgerdialogs“ am 11. Oktober 2025 und fragte mit E-Mail vom 25. Juli 2025 bei der Stadt Lich die Anmietung des Bürgerhauses in der Kernstadt der Stadt Lich an. Ferner fragte die Fraktion nach freien Alternativterminen zu diesem Bürgerhaus sowie nach weiteren Gemeinschaftshäusern der Stadt Lich an für den Fall, dass das Bürgerhaus in der Kernstadt bereits vermietet sei. Am 1. August 2025 teilte die Stadt der Fraktion mit, weder das Bürgerhaus in Lich noch sonstige Einrichtungen der Stadt Lich stünden für den geplanten Bürgerdialog zur Verfügung. Zur Begründung führte die Stadt Lich aus, ihre Einrichtungen könnten nur dann vermietet werden, wenn gewährleistet sei, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht durch mögliche Gegendemonstrationen usw. gefährdet sei.
Hiergegen suchte die Fraktion um gerichtlichen Rechtsschutz nach. Sie trug vor, dass das Bürgerhaus in der Kernstadt auch in der Vergangenheit politischen Parteien zur Verfügung gestellt worden sei. Die Aussage der Stadt Lich, bei solchen Veranstaltungen müsse immer mit Gegendemonstrationen gerechnet werden, sei spekulativ.
Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt. Es bestehe ein Anspruch der Fraktion auf Überlassung eines der stadteigenen Bürgerhäuser der Stadt Lich für ihre Veranstaltung am 11. Oktober 2025. Ein solcher ergebe sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Zwar komme Kommunen grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Widmungszwecks der von ihr unterhaltenen öffentlichen Einrichtungen zu. Stelle die öffentliche Hand ihre Einrichtung im Rahmen der jeweiligen Widmung für die Durchführung von bestimmten Veranstaltungen zur Verfügung, entstehe dadurch jedoch ein Gleichbehandlungsanspruch, der die Entscheidungsfreiheit der öffentlichen Hand begrenze. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass der geplante „Bürgerdialog“ sich im Rahmen des Widmungszwecks der Gemeinschaftshäuser bewege und die erfolgte Verweigerung der Überlassung durch die Stadt Lich ohne sachlichen Grund erfolgt sei. Denn die Gemeinschaftshäuser seien nachweislich in der Vergangenheit regelmäßig an ortsfremde oder überregionale Vereine bzw. für politische Veranstaltun-gen vergeben worden und von der Stadt Lich sei damit eine entsprechende Verwaltungspraxis etabliert worden. Bei einer AfD-Fraktion im Kreistag des Landkreises Gießen sei ein hinreichender örtlicher Bezug gegeben.
Die bloße Behauptung der Stadt Lich, bei Veranstaltungen der Fraktion müsse immer wieder mit Gegendemonstrationen gerechnet werden, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten, reiche in keiner Weise aus, um eine Versagung des Zulassungsanspruchs aus sachlichen Gründen zu rechtfertigen. Zwar sei allgemein bekannt – weil es entsprechende Berichte in der heimischen Presse gab –, dass es im Zusammenhang mit der Durchführung eines Bürgerdialogs immer wieder zu Gegendemonstrationen komme. Es sei aber schon nicht ersichtlich, dass diese Gegendemonstrationen einen unfriedlichen oder gar gewalttätigen Verlauf genommen hätten. Eine solche rein spekulative Behauptung der Stadt Lich, es sei mit einer unfriedlichen Gegendemonstration zu rechnen, sei zudem geeignet, die Teilnehmer an einer friedlichen Gegendemonstration gegen den sog. Bürgerdialog der Fraktion zu diskreditieren bzw. zu kriminalisieren und diese Demonstrationsteilnehmer im Ergebnis in ihrem Grundrecht auf Versammlungsrecht zu verletzen.
Die Entscheidung (Beschluss vom 1. Oktober 2025, Az.: 8 L 5048/25.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.10.2025
Quelle: Verwaltungsgericht Gießen, ra-online (pm/pt)