14.11.2024
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss20.08.2007

Versor­gungs­ab­schlag bei Teilzeit­be­schäf­tigung wegen Verletzung des Gleich­heits­satzes verfas­sungs­widrig?Vorla­ge­be­schluss an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht

Der Versor­gungs­ab­schlag bei Teilzeit­be­schäf­tigung ist nach Auffassung des Verwal­tungs­gericht Frankfurt wegen Verletzung des Gleich­heits­satzes verfas­sungs­widrig.

Die Klägerin ist beamtete Lehrerin im Ruhestand und erhält Versor­gungs­bezüge unter Anwendung eines Versor­gungs­ab­schlages wegen Teilzeit­be­schäf­tigung. Die im Rahmen ihrer Versorgung nicht voll berück­sich­tigten Zeiten beziehen sich auf den Zeitraum bis zum 17.05.1990. Aufgrund des gemein­schafts­recht­lichen Diskri­mi­nie­rungs­verbots entfällt der Versor­gungs­ab­schlag nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erst ab dem 17.05.1990 bei Anwendung der degressiven Ruhege­halt­s­tabelle auf Teilzeit­be­schäftigte, weil in den weitaus meisten Fällen Frauen von der Kürzung ihrer Versor­gungs­bezüge durch den Versor­gungs­ab­schlag betroffen sind.

Für Dienstzeiten vor diesem Stichtag, also vor dem 17.05.1990 sieht die für das Beamtenrecht zuständige 9. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Frankfurt am Main die übergangsweise fortgeltenden Regelungen zum Versor­gungs­ab­schlag als mit dem Gleichheitssatz von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar an. Die Kammer hat daher im Rahmen der Entscheidung einen Vorla­ge­be­schluss an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nach Art. 100 Abs. 1 GG gefasst, um die Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zu der vorgenannten Frage einzuholen.

Zur Begründung hat die 9. Kammer ausgeführt, dass Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Diskri­mi­nie­rungen wegen des Geschlechts in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verbiete. Eine mittelbare Diskriminierung liege vor, wenn sich die Ungleich­be­handlung aus Regelungen ergebe, die nicht an die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht anknüpfe, wohl aber an Umstände, die ein bestimmtes Geschlecht typischerweise aufgrund seiner Lebenssituation stärker treffe und benachteilige als andere. Diskriminierend seien also Regelungen, die zwar ihrerseits geschlechts­neutral formuliert und deshalb auf Frauen und Männer gleichermaßen anzuwenden seien, tatsächlich jedoch aus Gründen, die auf dem Geschlecht beruhten, erheblich mehr Frauen als Männer nachteilig träfen. Dies sei schon dann zu bejahen, wenn eine erheblich höhere Zahl von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts von einer Maßnahme oder Reglung betroffen sei, es sei denn, die Maßnahme oder Regelung sei durch objektive Gründe gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hätten. Daraus folge, dass vorliegend der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung erfüllt sei. Denn der Versor­gungs­ab­schlag, der bei der Bestimmung des maßgeblichen Ruhege­halts­satzes im Hinblick auf die genannten Vorschriften zu berücksichtigen sei, wirke sich bei Teilzeit­be­schäf­tigten versor­gungs­mindernd aus. Aus allen vorliegenden Erhebungen gehe jedoch eindeutig hervor, dass der Anteil männlicher Teilzeit­be­schäf­tigter an den Beschäftigten in der Hessischen Landes­ver­waltung wesentlich geringer sei als derjenige der weiblichen Teilzeit­be­schäf­tigten. Die teilzeit­be­dingte Benachteiligung von Frauen in der Beamten­ver­sorgung sei auch nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Haushalts­po­li­tische Erwägungen oder das Ziel, öffentliche Ausgaben zu begrenzen, seien jedenfalls nicht geeignet eine Ungleich­be­handlung wegen des Geschlechts zu rechtfertigen. Die Verfas­sungs­mä­ßigkeit der einschlägigen Vorschrift sei auch nicht im Hinblick auf den Umstand anders zu beurteilen, dass es sich bei der Regelung um eine bloße Überg­angs­vor­schrift handele.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 20/07 des VG Frankfurt am Main vom 02.10.2007

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