22.11.2024
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Dokument-Nr. 1536

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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss04.02.2002

Windkraftanlage beeinträchtigt Nachbar nicht

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt hat den Antrag eines ökologischen Landwirts in Schlüchtern-Elm auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die vom Kreisausschuss des Main-Kinzig-Kreises erteilte Baugenehmigung für die Errichtung von 7 Windkraft­anlagen (Enron Wind 1.5 sl) abgelehnt.

Das Gericht geht davon aus, dass die genehmigte Anlage nicht gegen nachbar­schützende Vorschriften verstößt und der Antragsteller keinen schädlichen Umwelt­ein­wir­kungen ausgesetzt wird:

Zwar ist nach den vorgelegten Berechnungen anzunehmen, dass die bisher besonders ruhige Wohnlage des Antragstellers durch den Windpark beeinträchtigt werden wird. Doch ist sein Ruhebedürfnis nur insoweit rechtlich geschützt, als für Wohnhäuser im Außenbereich generell bestimmte Immis­si­ons­richtwerte eingehalten werden müssen. Einen Bestandsschutz, der darauf abzielen würde, die vom Antragsteller beim Erwerb seines Anwesens vorgefundene Situation auf Dauer zu erhalten, gibt es nicht. Aus der früheren faktischen Ruhe in der Umgebung des Anwesens kann nicht auf dessen besondere Schutz­be­dürf­tigkeit geschlossen werden. Im Gegenteil sind im Außenbereich emittierende Nutzungen zulässig und zu den bereits vorhandenen, aus diesem Grund in den Außenbereich verlagerten Vorhaben wie dem Aussiedlerhof des Antragstellers können neue hinzutreten. Gerade im Außenbereich besteht nur ein eingeschränktes Abwehrrecht gegenüber bestimmten Nutzungen, die in einem Wohngebiet nicht zulässig wären.

Die oberge­richtliche Rechtsprechung, zieht als Beurtei­lungs­maßstab für die Immissionen von Windener­gie­anlagen die TA-Lärm heran und setzt die Schutz­be­dürf­tigkeit von Wohnhäusern im Außenbereich mit der von Häusern im Dorf- oder Mischgebiet gleich Danach darf der Schallpegel auf dem Hof des Antragstellers tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) nicht überschreiten. Bewegen sich die Schal­lim­mis­sionen innerhalb dieses Rahmens, ist auch eine Minderung des Verkehrswertes des Anwesens hinzunehmen. Besonderheiten, die eine Absenkung dieser Richtwerte angezeigt erscheinen lassen könnten, sind weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.

Die vorgelegte Schal­lim­mis­si­ons­prognose errechnet für das Anwesen des Antragstellers einen Schallpegel von höchstens 43,9 dB(A). Das Gericht teilt die Befürchtung des Antragstellers nicht, dass es sich dabei um ein unzutreffendes Gefäl­lig­keits­gut­achten handeln könnte. Soweit sich das Gericht in der Lage sieht, die zugrunde liegenden Annahmen nachzu­voll­ziehen, entspricht die gutachterliche Stellungnahme den wissen­schaftlich anerkannten Regeln und dem Stand der Technik.

Im Übrigen hat ein weiteres Sachver­stän­di­genbüro zwischen­zeitlich Vermessungen der vorgesehenen Anlagen an verschiedenen Standorten in Deutschland vorgenommen, welche die in der Schal­lim­mis­si­ons­prognose angenommenen Ausgangswerte bestätigt haben. Es kann also nicht mehr davon gesprochen werden, die Prognose sei nicht verlässlich, weil der genehmigte Anlagentyp noch nirgends installiert sei, so dass noch keine Erfahrungen damit hätten gewonnen werden können.

Der Antragsteller irrt, wenn er davon ausgeht, die Schal­lim­mis­si­ons­prognose beruhe auf unqua­li­fi­zierten Messungen in der Nähe seines Anwesens. Tatsächlich ist sie eine rein theoretische Berechnung auf Grund von Erfah­rungs­werten. Sie berücksichtigt die Immissionen aller installierten oder noch zu installierenden Windkraft­anlagen des Windparks, was sich aus der Tabelle auf Seite 15 unten dieses Gutachtens ergibt. Die zu Grunde gelegte Entfernung der nächstgelegenen Windkraftanlage vom Hof des Antragstellers differiert dabei gegenüber seiner eigenen Messung nur um 3 m, die in ihren Auswirkungen auf das Ergebnis mit Sicherheit irrelevant sind. Die weitere Frage, ob der Wald zwischen der Windkraftanlage Nr. 3 und dem Schoppenhof die Lärmbelästigung das ganze Jahr hindurch und auch auf lange Sicht reduzieren wird, kann angesichts der ermittelten Einhaltung der zulässigen Immis­si­ons­richtwerte offen bleiben.

Für die Richtigkeit der Prognose spricht ferner, dass der Antragsgegner die vorgelegte Prognose dem Staatlichen Umweltamt in Hanau zugeleitet hat, das diese wiederum an das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie, eine wissen­schaftlich- technische Informations-, Beratungs- und Unter­su­chungs­stelle des Landes Hessen zur Überprüfung gesandt hat, nach deren Abschluss vom Staatlichen Umweltamt keine Bedenken gegen die Genehmigung des Windparks erhoben worden sind.

Zudem ist der Betreiber durch die Baugenehmigung verpflichtet worden, nach Inbetriebnahme der Windkraft­anlagen Geräu­schim­mis­si­ons­mes­sungen von einer anerkannten Messstelle durchführen zu lassen, von der eine neutrale Begutachtung zu erwarten ist. Sollten sich dabei Überschrei­tungen der zulässigen Immis­si­ons­richtwerte im Bereich von Wohnhäusern in der Umgebung herausstellen, so wäre der Antragsgegner gehalten, durch geeignete Auflagen, etwa zum zeitweiligen Abschalten der Anlagen, die Einhaltung der Richtwerte sicherzustellen. Ob daneben die Auflage, die Windkraft­anlagen nach dem neuesten Stand der Technik nicht nur zu errichten, sondern auch zu betreiben und zu unterhalten, ausreichend bestimmt ist, kann dahinstehen, da der Antragsteller keinen einklagbaren Anspruch darauf hat, dass die Baugenehmigung objektiv in jeder Hinsicht rechtmäßig ist.

Was von dem Antragsteller befürchtete Gesund­heits­ge­fahren durch Infraschall anlangt, so sind diese noch weitgehend unerforscht. Wie sich aus den von ihm vorgelegten Informationen dazu ergibt, steht bis heute weder standardmäßige Messtechnik noch ein standa­r­di­siertes Messverfahren zur Bestimmung und Bewertung von Infraschall zur Verfügung. Die Kausa­li­täts­be­ziehung zwischen Infraschall und bestimmten Gesund­heits­s­tö­rungen ist wissen­schaftlich nicht abgeklärt. Wie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in seinem Beschluss vom 17.02.1997 entschieden hat, ist es nicht Aufgabe der Gerichte, ungesicherten wissen­schaft­lichen Erkenntnissen mit den Mitteln des Prozessrechts zum Durchbruch zu verhelfen. Vor allem aber liegen angesichts des nicht unzulässig hohen Pegels des hörbaren Schalls am Anwesen des Antragstellers keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Infraschall hier einen Pegel in gesund­heits­ge­fähr­dender Höhe erreichen könnte.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass das Gericht vorliegend nicht zu prüfen hat, ob der Antragsgegner bei seiner Entscheidung natur- und landschafts­schutz­rechtliche Aspekte ausreichend und zutreffend berücksichtigt hat, da dem Antragsteller aus einer etwaigen Verletzung dieser öffentlichen Belange kein nachbarlicher Abwehranspruch erwachsen kann.

Quelle: Pressemitteilung des VG Frankfurt am Main vom 04.02.2002

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