18.10.2024
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil14.11.2007

Atommülllager in Hanau darf gebaut werdenBloße Verhin­de­rungs­planung ist rechtswidrig

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt hat der Klage gegen die Ablehnung eines Bauantrages für den Umbau und die Umnutzung eines in Hanau-Wolfgang gelegenen Grundstückes als Zwischenlager für radioaktive Abfälle stattgegeben.

Die Klägerin, ein weltweit tätiges, bundesweit führendes Logis­ti­k­un­ter­nehmen, insbesondere spezialisiert auf den Transport radioaktiver Stoffe, für die sie auch über Lager­ein­rich­tungen verfügt, ist Eigentümerin eines Grundstücks in Hanau-Wolfgang, das zuvor der NUKEM-GmbH gehörte und im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt, der das Gebiet als Industriegebiet ausweist. Das Gebiet ist praktisch vollständig bebaut. Es befinden sich dort zu einem großen Teil Betriebsteile der Degussa-Gruppe für Spezialchemie und Dentaltechnik. Weiter befinden sich dort ehemalige Betriebe der Nuklea­r­in­dustrie, z. B. das zwischen­zeitlich größtenteils abgetragene Siemens Brennelemente Werk - Betriebsteile Uran und Mox - in dem früher Brennelemente für Reaktoren hergestellt wurden. Ferner sind Unternehmen der Dienst­leis­tungs­branche, Büro- und Verwal­tungs­gebäude ansässig, sowie ein Logistikbetrieb.

Auf dem der Klägerin gehörenden Grundstück befinden sich vier Gebäude, eines davon ist die Halle 15, deren Nutzung hier streit­ge­gen­ständlich ist. In der näheren Umgebung befinden sich zwei weitere Hallen, in denen derzeit geneh­mig­terweise radioaktive Abfälle gelagert werden. Am 27.04.2006 stellte die Klägerin einen Bauantrag bei der Beklagten für den Umbau und die Umnutzung des Gebäudes Nr. 15 als Zwischenlager für radioaktive Abfälle. Nach den eingereichten Unterlagen ist die Lagerung von mittel- bis schwachra­dio­aktiven Abfällen und uran- und thoriumhaltigen Abfällen aus Kernkraftwerken geplant, die bundesweit zu der Halle transportiert und dort in Behältern gelagert werden sollen. Das Stadt­pla­nungsamt der Stadt Hanau führte in dem Bauge­n­eh­mi­gungs­ver­fahren mit seiner Stellungnahme aus, dass aus städtebaulichen Gründen eine kritische Überprüfung des Vorhabens erforderlich sei, denn die langjährige atomare Nutzung im Industriegebiet Wolfgang habe Hanau im negativen Sinne bundesweit bekannt gemacht und der Stadt einen erheblichen Imageschaden zugefügt, von dem sich die Stadt seit der Schließung der Atombetriebe langsam erhole.

Die nun geplante Lagerung von Atommüll würde diese Entwicklung in extremer Weise umkehren. Zukünftige Chancen der Stadt­ent­wicklung könnten zu Risiken werden wegen fehlender Inves­ti­ti­o­ns­be­reit­schaft sowohl im Hinblick auf den Wohnungsmarkt als auch als neuer Industrieund Gewer­be­an­sied­lungen im Umfeld des Atomlagers. Es sei auch von einem Gefähr­dungs­po­tential für die Wohnbevölkerung und die in Hanau arbeitenden Menschen auszugehen.

Während des laufenden Bauge­n­eh­mi­gungs­ver­fahrens beschloss die Stadt Hanau dann am 10.07.2006 den bestehenden Bebauungsplan zu ändern. Gleichzeitig beschloss sie eine Verän­de­rungs­sperre für das Plangebiet. Zur Begründung der Änderung des Bebauungsplanes führte die Stadt Hanau an, dass die Änderung dem Ziel diene, die Lagerung von radioaktiven Abfällen auf bestehende Gebäude und Anlagen im Plangebiet festzuschreiben. Derartige Nutzungen sollten in den übrigen Teilen des Plangebietes ausgeschlossen werden. Zudem sollte sichergestellt werden, dass nur radioaktive Abfälle gelagert werden, die im Plangebiet anfallen. Planerisches Ziel sei es, die Entwick­lungs­po­tentiale, die in der Festsetzung als Industriegebiet angelegt seien, weiter zu nutzen und in die Entwicklung dieses Gebietes insbesondere auf die Erhaltung und Neuansiedlung von Hightech-Betrieben zu konzentrieren. Mit Bescheid vom 07.09.2006 lehnte die Stadt Hanau die Erteilung der beantragten Baugenehmigung ab und berief sich auf die beschlossene Verän­de­rungs­sperre. Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie meint sie habe einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Das Vorhaben sei baupla­nungs­rechtlich zulässig. Die geplante Halle stelle eine Lagerhalle dar, die im Industriegebiet allgemein zulässig sei. Es handele sich um eine selbständige Lagerhalle und nicht um eine Deponie, da die Halle auch von Menschen betreten werden könne. Von dem geplanten Vorhaben seien auch keine unzumutbare Störungen und Beein­träch­ti­gungen zu erwarten. Die Nutzung könne auch erst aufgenommen werden, wenn die strah­len­schutz­tech­nische Genehmigung seitens des Hessischen Umwelt­mi­nis­teriums erteilt worden sei. Dies stelle auch sicher, dass keine unzumutbare Auswirkungen von der Halle ausgingen. Die von der Beklagten beschlossene Verän­de­rungs­sperre sei unwirksam, weil die Planung nicht hinreichend konkretisiert sei und auch offensichtlich rechtswidrig sei. Es handele sich um eine unzulässige Verhin­de­rungs­planung, für die eine tragbare positive Planbegründung nicht vorliege. Die von ihr angegebenen Ziele für die Planänderung seien nur vorgeschoben. Der befürchtete Imageschaden für die Stadt Hanau sei kein zulässiges Ziel der Bauleitplanung. Die Beklagte wendet im Wesentlichen ein, dass das Vorhaben baupla­nungs­rechtlich unzulässig sei, da die Verän­de­rungs­sperre rechtmäßig sei und das Vorhaben der Planung entgegen stehe. Das Vorhaben sei auch nach dem Bebauungsplan nicht zulässig, denn es handele sich nicht um ein Lagerhaus im Sinne der Baunut­zungs­ver­ordnung, sondern vielmehr um eine Deponie, nämlich ein reines Behältnis, da das Gebäude nicht von jedermann betreten werden könne, was sich aus den Anforderungen nach der Strah­len­schutz­ver­ordnung ergebe.

Die für baurechtliche Verfahren aus dem Main-Kinzig-Kreis zuständige 4. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Frankfurt am Main hat der Klage statt gegeben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass das geplante Vorhaben bauplanungs- und bauor­dungs­rechtlich zulässig sei. Die von der beklagten Stadt Hanau verfügte Verän­de­rungs­sperre, die dem Vorhaben entgegen stehe, sei unwirksam, da die beschlossene Verän­de­rungs­sperre eine unzulässige Verhin­de­rungs­planung darstelle und hierfür eine tragbare positive Planbegründung nicht vorliege. Der Beklagten gehe es allein darum das Vorhaben der Klägerin zu verhindern. Eine derartige Verhin­de­rungs­planung sei aber rechtswidrig.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 26/07 des VG Frankfurt am Main vom 14.11.2007

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