21.11.2024
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil07.06.2005

Keine Einbürgerung bei früherer Unterstützung einer terroristischen VereinigungVerwal­tungs­gericht Frankfurt a.M. versagt türkischem Staats­an­ge­hörigen die Einürgerung wegen ehemaliger aktiver Betätigung in der PKK

Der im Besitz einer unbefristeten Aufent­halt­s­er­laubnis befindliche Kläger war im Jahr 1994 rechtskräftig wegen der Beteiligung an einer Autobahn­blockade (Nötigung gem. § 240 StGB) der PKK zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten und einer Geldbuß verurteilt worden. Im Jahr 2002 beantragte er für sich und seinen in Frankfurt a.M. geborenen Sohn die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

Mit einem jetzt rechtskräftig gewordenen Urteil vom 07.06.2005 hat das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main die Klage eines türkischen Staats­an­ge­hörigen (Kläger) abgewiesen, der gegenüber dem Land Hessen, vertreten durch das Regie­rungs­prä­sidium in Darmstadt (Beklagter) beantragt hatte, in den deutschen Staatsverband eingebürgert zu werden. Der im Jahre 1954 in der Türkei geborene Kläger lebte von 1977 bis 1986 in Frankfurt am Main, von 1986 bis 1990 in der Türkei. Von 1980 bis zur Ehescheidung 1993 war er mit einer türkischen Staats­an­ge­hörigen verheiratet. Im September 1990 reiste er erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylbe­rech­tigter. Dieser Antrag wurde ebenso wie ein 1994 gestellter Folgeantrag rechtskräftig abgelehnt. Nach der Ehescheidung war der Kläger sechs Jahre mit einer deutschen Staats­an­ge­hörigen verheiratet. Nach der erneuten Ehescheidung heiratete er eine syrische Staats­an­ge­hörige. Er ist im Besitz einer unbefristeten Aufent­halt­s­er­laubnis.

Im Jahre 1994 wurde der Kläger rechtskräftig wegen der Beteiligung an einer Autobahn­blockade wegen gemein­schaft­licher Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zunächst auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom 02.02.1997 erlassen worden war. Ferner war ihm eine Geldbuße in Höhe von 2.100,00 DM auferlegt worden. Die Autobahn­blockade, an der sich der Kläger beteiligt hatte, war eine Aktion der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans), bei welcher am 22.03.1994 zwischen 14.00 Uhr und 15.00 Uhr 16 systematische Autobahn­blo­ckaden nahezu zeitgleich über das ganze Bundesgebiet verteilt durchgeführt worden waren.

Im Jahre 2002 beantragte der Kläger für sich und seinen in Frankfurt am Main geborenen Sohn die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Er unterzeichnete die formularmäßig vorliegende Loyali­täts­er­klärung, wonach er keine Bestrebungen unterstütze oder unterstützt habe, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines Bundeslandes richten. Im Jahre 2003 hörte der Beklagte ihn zu der beabsichtigten Versagung der Einbürgerung an. Dabei äußerte der Kläger, er sei bereits seit vielen Jahren nicht mehr im Zusammenhang mit der PKK aktiv. Er kümmere sich um seine Familie und sein Privatleben. Er habe seine Beteiligung an der Straftat im Jahr 1994 nie bestritten. Eine aktuelle Gefährdung gehe jedenfalls von ihm nicht mehr aus.

Der Beklagte lehnte den Einbür­ge­rungs­antrag ab und legte dar, im Hinblick auf den Strafbefehl sei erwiesen, dass der Kläger sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalt­tä­tig­keiten beteiligt und damit einen Auswei­sungsgrund geschaffen habe. Unerheblich sei, ob er tatsächlich ausgewiesen werden dürfe oder solle. Außerdem lägen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines Verdachts der Sicher­heits­ge­fährdung für die Bundesrepublik Deutschland durch den Kläger vor. Zweifel an einer positiven Haltung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung würden zudem dadurch untermauert, dass er in seiner Loyali­täts­er­klärung seine früheren Aktivitäten in vollem Umfange verheimlicht habe. Damit habe er auch seine Abwendung von diesen Aktivitäten nicht glaubhaft gemacht. Die bloße Behauptung, sich von den früheren Bindungen zur PKK gelöst zu haben, reiche nicht aus.

In dem Klageverfahren vor dem Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main trug der Kläger vor, die erhebliche Zeitspanne, die seit seinen Aktivitäten vergangen sei, sei ein starkes Indiz für die Glaubhaftigkeit seiner Bekundung, sich in jeder Weise von der PKK gelöst zu haben. Außerdem sei nach der Rechtsprechung des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof der Auswei­sungsgrund dann "verbraucht", wenn die Behörde innerhalb von zwei Jahren nach Kenntnis eines Strafurteils kein Auswei­sungs­ver­fahren eingeleitet habe. Ferner habe er auch nach der Straftat von der Auslän­der­behörde eine unbefristete Aufent­halt­s­er­laubnis erteilt bekommen. Dies bedeute, dass seine Tat einer weiteren Verfestigung seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen stehe. Bezüglich des Inhalts seiner Loyali­täts­er­klärung sei darauf hinzuweisen, dass die Vielzahl unter­schied­licher Formen dieser Erklärung, die Juristen entworfen hätten, für die überwiegende Zahl von Einbür­ge­rungs­be­werbern in der Praxis nicht verständlich sei.

In seinem klage­ab­wei­senden Urteil legt das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main dar, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Einbürgerung auf der Grundlage des Staats­an­ge­hö­rig­keits­ge­setzes in der Fassung, die es durch das Zuwan­de­rungs­gesetz vom 30.07.2004 erhalten habe. Danach sei der Anspruch auf Einbürgerung zwingend ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbür­ge­rungs­be­werber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt (hat), die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richteten oder durch die Vorbereitung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbe­rei­tungs­hand­lungen auswärtige Belange gefährdeten. Anders sei nur dann zu entscheiden, wenn der Einbür­ge­rungs­be­werber glaubhaft mache, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung solcher Bestrebungen abgewandt habe. Ein solcher Sachverhalt liege mit der Teilnahme an der Autobahn­blockade hier vor. Nach Auffassung des Gerichts sei davon auszugehen, dass die PKK jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt Bestrebungen verfolgt habe, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet waren. Dies ergebe sich aus den Gewalt­tä­tig­keiten dieser Organisation 1992 und 1993 in Europa, insbesondere in Deutschland. Die in ihrem Namen begangenen Anschläge auf türkische Einrichtungen im Bundesgebiet seien als Anlass für weitere Drohungen gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen ihre Staatsorgane genutzt worden. Eine weitere Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland liege darin, dass die PKK im Bundesgebiet gewalttätig gegen "Verräter" in den eigenen Reihen und Angehörige konkurrierender kurdischer Organisationen vorgingen und sich damit eine eigene Strafgewalt in Deutschland anmaßten. Es könne vorliegend auch offen bleiben, ob der Kläger Mitglied oder Funktionär der PKK gewesen sei oder noch ist. Eine aktive Betätigung für diese Organisation reiche als tatsächlicher Anhaltspunkt in der Regel für den Ausschluss des Einbür­ge­rungs­an­spruches aus. Anders hätte nur entschieden werden können, so das Gericht, wenn der Kläger glaubhaft gemacht hätte, sich von den früher unterstützten Bestrebungen abgewandt zu haben. Dafür genüge ein bloßes äußeres - zeitweiliges oder situa­ti­o­ns­be­dingtes - Unterlassen der früheren Unter­stüt­zungs­hand­lungen nicht aus. Die Glaub­haft­machung einer solchen Abwendung setze grundsätzlich voraus, dass der Einbür­ge­rungs­be­werber einräume oder zumindest nicht bestreite, früher im beschriebenen Sinne tätig gewesen zu sein. Das bewusste Verschweigen des früheren Verhaltens wie auch der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe könne der Kläger nicht mit der Kompliziertheit der formularmäßig abgefassten Loyali­täts­er­klärung erklären. Die erforderlichen Anhaltspunkte objektiver Art für eine innerliche Abwendung von den früher unterstützten Bestrebungen seien hier nicht ersichtlich. Das bloße Unterlassen weiterer einschlägiger Aktivitäten sei auch angesichts des inzwischen verstrichenen längeren Zeitraums nicht ausreichend.

Gegen das Urteil kann kein Rechtsmittel mehr eingelegt werden.

Quelle: Pressemitteilung des VG Frankfurt am Main vom 01.09.2005

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