21.11.2024
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Dokument-Nr. 7199

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Beschluss23.12.2008Verwaltungsgericht Frankfurt am Main1 L 4252/08.F(V)
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss23.12.2008

Keine Ausnahme für Anleger mit Auszah­lungs­plänen bei der Schließung offener Immobilienfonds

Die Antragstellerin verwaltet das Immobi­li­en­son­der­vermögen eines sog. offenen Immobilienfonds.In das Sondervermögen haben institutionelle Anleger und Privatpersonen investiert. Einzelne Anleger haben direkt bei der Antragstellerin in das Sondervermögen mit dem Ziel investiert, nach einer Inves­ti­ti­o­nsphase zumeist monatlich über einen Auszahlungsplan einen bestimmten Geldbetrag gegen Rückgabe von Anteilen oder/und Bruchteilen von Anteilen im entsprechenden Wert Zug um Zug zurück zu erhalten. Daneben haben weitere Anleger Auszah­lungspläne bei anderen depotführenden Stellen abgeschlossen. Nachdem es im Oktober 2008 im Rahmen der Finanzkrise durch Rücknah­me­ver­langen von Großanlegern zu einem starken Mittelabfluss kam, beschloss die Geschäfts­führung der Antragstellerin eine befristete Aussetzung der Rücknahme von Anteilen. Sie beschloss weiterhin Kleinanleger, mit denen Auszah­lungspläne zum Zeitpunkt der Aussetzung vereinbart waren on dem Rücknahmestopp auszunehmen.

Mit Bescheid vom 18.12.2008 ordnete die Antragsgegnerin, die Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht, an, dass während der Dauer der Aussetzung die Bedienung von Auszah­lungs­plänen durch Rücknahme von Anteilen und Auszahlung des Gegenwertes aus dem Sondervermögen zu unterbleiben habe und ordnete weiter an, dass die Gesellschaft das betroffene Sondervermögen so zu stellen habe, als ob die Bedienung der Auszah­lungspläne während der Dauer der Aussetzung nicht erfolgt wäre. Schließlich ordnete sie die sofortige Vollziehung der vorgenannten Anordnung an.

Die Antragstellerin hat unter dem 22.12.2008 einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Sie verweist sowohl auf formelle als auch materielle Mängel der Anordnung der sofortigen Vollziehung und hält den angegriffenen Bescheid zudem für rechtswidrig. Sie bringt vor, dass sie sich bei ihrer Entscheidung, Anteile von Anlegern mit Auszahlplänen trotz Aussetzung der Rücknahme entge­gen­zu­nehmen im Rahmen des ihr zustehenden Spielraums bewegt habe und nicht gegen Vorschriften des Invest­ment­ge­setzes und der Vertrags­be­din­gungen verstoßen habe. Überdies sei die Eingriffs­be­fugnis nach § 5 Invest­ment­gesetz (InvG) auf eindeutige Missbrauchsfälle beschränkt.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegen getreten.

Die für finanz­dienst­leis­tungs­auf­sichts­rechtliche Verfahren zuständige 1. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Frankfurt am Main hat den Eilantrag abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt die Anordnung des Sofortvollzuges begegne keinen formellen Bedenken. Rechtsgrundlage für den streit­be­fangenen Bescheid sei § 5 Abs. 1 Satz 3 InvG. Danach sei die Beklagte befugt, im Rahmen der Aufsicht alle Anordnungen zu treffen, die erforderlich und geeignet seien, um den Geschäfts­betrieb einer Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft oder Invest­men­tak­ti­en­ge­sell­schaft und die Tätigkeit einer Depotbank mit diesem Gesetz, den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Bestimmungen und den Vertrags­be­din­gungen oder der Satzung in Einklang zu bringen.

Vorliegend sei die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen, dass die Bedienung der Auszah­lungspläne während der Aussetzung der Rücknahme von Anteilscheinen nach § 81 InvG wegen Verstoßes gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz rechtlich unzulässig sei. Verlange der Anleger, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil am Immobilien-Sondervermögen ausgezahlt werde, so könne die Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft nach § 81 InvG die Rückzahlung bis zum Ablauf einer in den Vertrags­be­din­gungen festzusetzenden Frist verweigern, wenn die Bankguthaben und der Erlös der angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknah­me­preises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht zugleich zur Verfügung stehen.

Im Hinblick auf das individuelle Rechts­ver­hältnis sei es jedoch ausgeschlossen, dass die Antrags­stellerin im Rahmen des ihr eingeräumten Spielraums die Rückga­be­ver­langen unter­schied­licher Anleger unterschiedlich behandele und jeweils prüfe, ob in Ansehung des konkreten Rücknah­me­ver­langens die Mittel zur Zahlung des Rücknah­me­preises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung ausreichten oder nicht. Es erscheine zwar denkbar, dass eine Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft das Rückzah­lungs­ver­langen eines Großinvestors das zu einer Erschöpfung der liquiden Mittel der Gesellschaft führen würde, aussetze, während sie das Rücknah­me­ver­langen eines Kleinanlegers, das ohne Beein­träch­tigung der Liquidität unproblematisch bedient werden könne, erfülle.

Die individuelle Betrachtung der Rückzah­lungs­ver­langen dürfe aber nicht dazu führen, dass andere Rechts­grundsätze des Invest­ment­ge­setzes verletzt würden. § 9 InvG normiere insoweit allgemeine Verhal­tens­regeln die bewirken, dass die grundsätzlich privatautonome Entscheidung der Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft in Einklang zu bringen sei mit ihren treuhän­de­rischen Pflichten als Treuhänderin des ihr anvertrauten Sondervermögens der Anleger. So sei die Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im ausschließ­lichen Interesse ihrer Anleger und der Integrität des Marktes zu handeln, ihre Tätigkeit mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewis­sen­haf­tigkeit im besten Interesse der von ihr verwalteten Sondervermögen und der Integrität des Marktes auszuüben, sich um die Vermeidung von Inter­es­sen­kon­flikten zu bemühen und, wenn diese sich nicht vermeiden ließen, dafür zu sorgen, dass unvermeidbare Konflikte unter der gebotenen Wahrung der Interessen der Anleger gelöst würden.

Aus dem Grundsatz der Vermeidung von Inter­es­sen­kon­flikten und der Lösung unvermeidbarer Konflikte und der gebotenen Wahrung der Interessen der Anleger könne sich die Pflicht zur Inter­es­sen­wahrung zu einer Pflicht zur Gleich­be­handlung verdichten. Vorliegend habe die Antragstellerin den Rahmen des ihr grundsätzlich zuzubilligenden Dispo­si­ti­o­ns­er­messens bei der Behandlung von Rückzah­lungs­be­gehren verlassen, weil sie bei ihrer Entscheidung, die Anleger mit Auszahlungsplan, von der Aussetzung der Rücknahme auszunehmen, den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz verletzt habe. Die von der Antragstellerin angeführten Gründe für die unter­schiedliche Behandlung im Hinblick auf die Rücknahme von Anteilen solcher Anleger, die über einen Auszahlungsplan verfügten und solcher, die ohne einen Auszahlungsplan in den Fonds investiert hätten, könnten die unter­schiedliche Behandlung der genannten beiden Gruppen nicht rechtfertigen. Anleger beider Gruppen hätten dem Sondervermögen Mittel zugeführt in dem Vertrauen darauf, dass die Anteile von der Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft nach Maßgabe des Auszah­lungsplans bzw. auf Aufforderung zurückgezahlt würden.

Ein Unterschied zwischen beiden Gruppen sei allein darin zu sehen, dass für die Gruppe mit Auszahlungsplan der Zeitpunkt des Rücknah­me­ver­langens feststehe, während er bei der Gruppe der Anleger ohne Auszahlungsplan im Belieben der Anleger liege. Bezogen auf diese beiden Gruppen ergebe sich aus der Perspektive der Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft der Unterschied, dass der durch die Gruppe mit Auszahlungsplan zu erwartende Mittelabfluss sich grundsätzlich vorausberechnen lasse, während die Gruppe ohne Auszahlungsplan „unberechenbar“ sei. Gleichwohl rechtfertigten die von der Antragstellerin angeführten Unterschiede in der Berechenbarkeit des Verhaltens der Anlegergruppen eine unter­schiedliche Behandlung nicht, denn diese Berechenbarkeit sei tatsächlich, wie sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin selbst ergebe, nur bedingt gegeben, so dass es näher liege, beide Gruppen gleich zu behandeln. Soweit die Auszah­lungspläne zwischen einem Anleger und einem Dritten als depotführende Stelle vereinbart würden, könne es wie die Antragstellerin einräume sein, dass die depotführende Stelle der Antragstellerin in ihrer Funktion als Verwal­tungs­ge­sell­schaft des Sondermögens nicht offenlege, dass ein Auszahlungsplan vereinbart worden sei. In derartigen Fällen seien also die Auszah­lungspläne nicht bekannt und der Mittelabfluss durch die Auszah­lungspläne könne nicht in die Berechnungen der Liquidität eingehen. Soweit die Auszahlpläne direkt zwischen den Anlegern und der Antragstellerin vereinbart worden sei, sei eine solche Berechenbarkeit ebenfalls nicht gegeben, da die Anleger den Rücknah­me­auftrag zurücknehmen könnten und damit so stünden wie Anleger ohne Auszahlungsplan. Letztlich sei ein Auszahlungsplan wie ein Dauerauftrag anzusehen, dem keine eigenständige Bedeutung dahingehend zukomme, dass er eine Ungleich­be­handlung rechtfertigen könne.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 29/08 des VG Frankfurt am Main vom 23.12.2008

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