15.11.2024
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Dokument-Nr. 6812

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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil09.10.2008

Börsenhändler darf nicht ohne Gestattung von zu Hause auf das Börsensystem zugreifenErfolgreiche Klage eines Börsenhändlers aus New York gegen Eurex Frankfurt am Main - Keine Sanktion für Verstoß gegen börsen­rechtliche Vorschriften

Ein Börsenhändler verstößt gegen börsen­rechtliche Vorschriften, wenn er über ein Eingabegerät außerhalb seiner zugelassenen Geschäftsräume auf das System der Eurex Börse zugreift. ohne dass zuvor eine Genehmigung der eingeholt zu haben. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Frankfurt am Main hervor.

Die Klägerin ist eine limited liability company nach New Yorker Recht und zum Börsenhandel an der Eurex Deutschland (Beklagte) zugelassenes Unternehmen. Die Eurex Deutschland ist eine nach dem Börsengesetz genehmigte Börse, deren Träger die Eurex Frankfurt AG ist. Der Sitz der Börse ist Frankfurt am Main. Der Börsenhandel findet ausschließlich elektronisch statt. Die Klägerin betreibt das Börsengeschäft von ihrer Haupt­nie­der­lassung in New York aus. Sie bedient sich für den Handel einer speziellen Software mit der Quotes automatisch erzeugt und in das EDV-System der Beklagten geleitet werden.

Am 19.09.2007 stellte die Handels­über­wa­chungs­stelle der Beklagten in der Zeit zwischen 13.03 Uhr und 13.07 Uhr (4:18 Minuten) nahezu 1000 Orders in den Produkten FGBX DeC 07 mit ständigen Order­ein­stel­lungen und darauf unmittelbar folgenden Orderlöschungen in schneller Abfolge fest, die von einem Börsenhändler der Klägerin getätigt wurden. Daraufhin versuchte die Handels­über­wa­chungs­stelle den Börsenhändler telefonisch zu erreichen, wurde jedoch von dessen Mitarbeiterin dahin beschieden, dass sich der Börsenhändler nicht an seinem Handelsplatz befinde. Das auffällige Handels­ver­halten wurde jedoch kurz nach dem Anruf beendet und der Börsenhändler rief die Handels­über­wa­chungs­stelle zurück. Auf ein Auskunft­s­er­suchen der Handels­über­wa­chungs­stelle hin teilte der Börsenhändler mit Schreiben vom 15.10.2007 mit, das fragliche Verhalten sei auf einen Fehler im Handelssystem zurückzuführen. Er habe diesen automatischen Handel von seiner Wohnung aus beobachtet und sei für die Handels­über­wa­chungs­stelle telefonisch erreichbar gewesen. Außerdem habe er die Fehlfunktion auch sofort nach der Unterrichtung beendet. Mit Rücksicht auf den Umstand, dass entsprechende Vorkommnisse schon früher zweimal aufgetreten waren, informierte die Handels­über­wa­chungs­stelle die Geschäfts­führung der Beklagten, die darauf ein Sankti­o­ns­ver­fahren gegen die Klägerin einleitete. Mit Beschluss vom 24.08.2008 belegte der Sankti­o­ns­aus­schuss der Beklagten die Klägerin mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 150.000,-- Euro und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe gegen die Durch­füh­rungs­be­stim­mungen der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich über technische Einrichtungen verstoßen, indem sie es zugelassen habe, dass die Kontrolle über das automatische Auftrags­er­tei­lungs­system, das über die Kennung ihres Börsenhändlers betrieben werde, nicht während des laufenden Handelstages kontinuierlich sichergestellt sei. Für eine kontinuierliche Kontrolle während des laufenden Handelstags reiche es nicht aus, dass der verantwortliche Börsenhändler gelegentlich von irgendeinem Rechner die Eingaben dieses Systems überwache. Dies sei nur gewährleistet, wenn er sich in den Geschäftsräumen des Börsen­teil­nehmers, in denen die Teilneh­mer­in­sta­l­la­tionen installiert seien aufhalte und wenn er an seinem Handelsplatz auch anwesend sei. Die Klägerin habe auch gegen die Durch­füh­rungs­be­stim­mungen verstoßen, soweit alle Teilnehmer Installationen grundsätzlich in Lokationen des Börsen­teil­nehmers installiert seien müssten. Der Börsenhändler der Klägerin habe sich aber eines Computers bedient, der sich außerhalb der Lokation des Börsen­teil­nehmers befunden habe. Eine Gestattung durch die Börsen­ge­schäfts­führung habe dafür nicht vorgelegen. Bei den Verstößen liege auch Vorsatz vor, denn die Klägerin habe gewusst, dass der Börsenhändler von zuhause aus arbeite. Sie habe auch keine Maßnahmen ergriffen um diese Verstöße abzustellen. Damit habe sie die Pflichtverstöße zumindest billigend in Kauf genommen.

Die Klägerin hat hiergegen Klage erhoben und vorgebracht, soweit der Sankti­o­ns­be­schluss auf dem Vorwurf vermeintlicher Verstöße gegen Durch­füh­rungs­vor­schriften über technische Einrichtungen beruhe, sei er schon deshalb rechtswidrig, weil es sich bei diesem Regelwerk nicht um börsen­rechtliche Vorschriften handele, sondern um von der Geschäfts­führung der Beklagten erlassene Verwal­tungs­vor­schriften. Selbst wenn man die Durch­füh­rungs­be­stim­mungen als ausreichende Grundlage für die Bestimmung sankti­o­nierbaren Verhaltens ausreichen lasse, scheitere deren Heranziehung daran, dass ein Verstoß gegen börsen­rechtliche Vorschriften nur dann sanktionierbar sei, wenn es sich um Vorschriften handele, die eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels an der Börse oder der Börsen­ge­schäfts­ab­wicklung sicherstellen sollten. Nur Vorschriften, die der Verhinderung von Markt­ma­ni­pu­lation, Marktmissbrauch oder einem sonst unehrenhaften Verhalten dienen sollten, seien solche, deren Verletzung der börsen­recht­lichen Sanktionierung unterlägen. Weiterhin seien die Durch­füh­rungs­be­stim­mungen auch nicht inhaltlich hinreichend bestimmt. Die Klägerin habe schließlich auch nicht gegen börsen­rechtliche Vorschriften verstoßen, dass sie entgegen Nr. 4.11 Börsenordnung fehlerhaft oder irreführend Angebote, Nachfrage oder Preis beeinflusst oder einen nicht marktgerechten Preis bzw. ein künstliches Preisniveau herbeigeführt habe. Eine Beeinflussung von Angebot, Nachfrage und Preis habe schon deshalb nicht stattgefunden, weil während der fraglichen Zeit der Fehlfunktion kein anderer Handels­teil­nehmer Angebot oder Nachfrage in das System eingegeben habe. Es sei auch kein nicht marktgerechter Preis oder ein künstliches Preisniveau herbeigeführt worden. Ein Verstoß gegen Nr. 4.11 Börsenordnung sei jedenfalls nicht leichtfertig geschehen. Die Sanktion sei im Übrigen sowohl der Art als auch der Höhe nach unver­hält­nismäßig.

Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Bescheid und bringt vor, dass die gesetzliche Sankti­o­ns­be­fugnis auch Verstöße gegen die Vorgaben der Durch­füh­rungs­be­stim­mungen über technische Einrichtungen erfasse, weil es sich auch insoweit um börsen­rechtliche Vorschriften handele. Insbesondere diene die Regelung der Bestimmung der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung des Handels an der Börse. Dies setze die Überwachung der Börsenhändler voraus, welche ihrerseits davon abhänge, dass die Handels­über­wa­chungs­stelle Kenntnis davon habe, wo sich die Börsenhändler aufhielten. Da der Aufenthaltsort beim elektronischen Handel nicht wie beim Parketthandel leicht festgestellt werden könne, sei es erforderlich, dass sich die Börsenhändler genau an den Orten aufhielten, die sie der Börse zuvor mitgeteilt hätten und die von dieser genehmigt worden seien. Der Handel mittels automatischer Quotes-Eingabe setze die Überwachung des Programmablaufs durch den Börsenhändler voraus. Die Klägerin habe es unterlassen, ihrer Pflicht nachzukommen, zu überwachen, ob der Börsenhändler seiner Aufgabe in ausreichendem Maße nachkomme, indem sie ihm gestattet habe, seine Tätigkeit von zuhause aus und damit außerhalb ihrer Kontrolle auszuüben. Sie habe ihre Aufsichts­pflicht auch dadurch verletzt, dass sie es zulasse, dass das System zu Handelsbeginn nicht vom Börsenhändler eingeschaltet werde, sondern von einer seiner Mitar­bei­te­rinnen. Die Klägerin habe auch gegen die Vorgaben der Nr. 4.11 Börsenordnung verstoßen, indem sie ein fehlerhaft arbeitendes Compu­ter­programm zum Einsatz gebracht und dadurch willkürliche Kauf- und Verkaufs­aufträge erzeugt habe, hinter denen kein Handel­s­in­teresse gestanden habe. Die dadurch erzeugte Marktlage bzw. die abgeschlossenen Geschäfte seien deshalb irreführend und fehlerhaft gewesen.

Die für börsen­rechtliche Verfahren zuständige 1. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Frankfurt am Main hat der Klage stattgegeben. Die Kammer hat zwar einen Verstoß gegen börsen­rechtliche Vorschriften bejaht, soweit - wie vorliegend - über ein Eingabegerät außerhalb der zugelassenen Geschäftsräume des Börsenhändlers auf das System der Eurex Börse zugriffen wurde, ohne dass zuvor eine Genehmigung der Beklagten eingeholt worden war. Allerdings hat sie die vom Sankti­o­ns­aus­schuss angestellten Ermes­sen­s­er­wä­gungen im Hinblick auf die Art und die Höhe der Sanktion für unzureichend gehalten. Die ansonsten vom Sankti­o­ns­aus­schuss angeführten Verstöße hat sie verneint.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 22/08 des VG Frankfurt am Main vom 09.10.2008

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