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Dokument-Nr. 29304

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Verwaltungsgericht Braunschweig Beschluss08.10.2020

VG Braunschweig: Kein Anspruch auf "Homeschooling"Corona-Risiko für Eltern allein rechtfertigt kein Anspruch auf Befreiung vom Präsen­z­un­terricht

Schüler, deren Eltern zur Corona-Risikogruppe gehören, haben derzeit nicht schon deswegen einen Rechtsanspruch auf Befreiung vom Präsen­z­un­terricht. Die Schule darf die Befreiung ablehnen, wenn dort noch keine Infek­ti­o­ns­schutz-Maßnahme angeordnet werden musste. Dies hat das Verwal­tungs­ge­richts Braunschweig am 08.10.2020 in einem Eilverfahren entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei den Antragstellern handelt es sich um Geschwister, die die 12. und die 9. Klasse eines Braunschweiger Gymnasiums besuchen. Ihre Eltern hatten der Schule ärztliche Atteste vorgelegt, nach denen sie zur Coronavirus-Risikogruppe gehören. Den Antrag auf Befreiung vom Präsen­z­un­terricht hatte die Schule unter Berufung auf eine Verwal­tungs­vor­schrift des Kultus­mi­nis­teriums abgelehnt. Danach können Schüler, deren Eltern der Risikogruppe angehören, nur dann vom Unterricht befreit werden, wenn schon eine Infek­ti­o­ns­schutz-Maßnahme an der Schule ergriffen werden musste, z.B. wegen der Infektion eines anderen Schülers. Dies sei an der Schule aber noch nicht der Fall gewesen.

VG: Ablehnung der Befreiung vom Präsen­z­un­terricht derzeit rechtmäßig

Das VG hat den gegen die Entscheidung der Schule gerichteten Eilantrag abgelehnt. Derzeit sei die Vorschrift des Kultus­mi­nis­teriums rechtlich nicht zu beanstanden. Die sich aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes ergebende staatliche Pflicht zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit sei nicht verletzt. Das Grundgesetz gebiete keinen vollkommenen staatlichen Schutz vor jeglichen Gesund­heits­ge­fahren. Bei den Schutzmaßnahmen habe der Staat auch anderen grundrechtlich geschützten Freiheiten Rechnung zu tragen. Die Schutzpflicht sei nur dann verletzt, wenn Schutz­vor­keh­rungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben. Dies sei derzeit an dem Gymnasium nicht der Fall.

Schutzmaßnahmen der Schule derzeit nicht zu beanstanden

Aufgrund der Corona-Verordnung und des Nieder­säch­sischen Hygieneplans für Schulen habe die Schule schon eine Reihe von Schutzmaßnahmen getroffen. Dazu gehörten unter anderem die Anordnung, grundsätzlich einen Mund-Nase-Schutz auf dem gesamten Schulgelände außerhalb des Unterrichts zu tragen, und das "Prinzip der offenen Türen", um das mit dem Berühren von Türen oder Türklinken verbundene Risiko zu verringern. Diese Maßnahmen seien angesichts der im Entschei­dungs­zeitpunkt im Vergleich zu anderen Regionen noch moderaten Infek­ti­o­ns­zahlen für die Stadt Braunschweig auch nicht völlig unzulänglich.

Bildungs­an­spruch der Schüler besonders wichtig

Bei den Schutzmaßnahmen müssten die Schulen auch den Bildungsauftrag des Staates und den Bildungs­an­spruch der Schüler berücksichtigen. Die Schul­be­suchs­pflicht sei in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Nur sie gewährleiste ausreichende Bildungs­ge­rech­tigkeit und eine umfassende Abdeckung der Lehrpläne über die reine Wissens­ver­mittlung hinaus. Im Hinblick darauf differenzierten die Schulen derzeit in zulässiger Weise zwischen einer bloß abstrakten, allgemeinen Gefährdungslage sowie der konkreten Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus im Falle einer bereits nachgewiesenen Neuinfektion. Das sich laufend verändernde Infek­ti­o­ns­ge­schehen verlange allerdings, die Risiko­be­ur­teilung immer wieder zu überprüfen.

Anspruch auf Homeschooling für zur Risikogruppe gehörende Schüler gerechtfertigt

Die Schule verstoße derzeit auch nicht gegen den Grundsatz der Gleich­be­handlung nach Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes, indem sie Schülern, die selbst zur Risikogruppe gehören, "Homeschooling" genehmige. Die unter­schiedliche Behandlung sei gerechtfertigt, weil es wissen­schaftlich basierte, deutliche Hinweise darauf gebe, dass vulnerable Schüler im Vergleich zu vulnerablen Angehörigen im Zusammenhang mit dem Schulbesuch einem höheren Anste­ckungsrisko ausgesetzt sind.

Quelle: Verwaltungsgericht Braunschweig, ra-online (pm/ab)

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