Dokument-Nr. 4832
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Verwaltungsgericht Berlin Urteil11.09.2007
Dienstherr muss sich an den Kosten seiner Beamten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente beteiligen
Das Verwaltungsgericht Berlin hat acht Klagen von Berliner Landesbeamten entsprochen, mit denen diese höhere Zuzahlungen ihres Dienstherrn zu ihren Krankheitskosten (Beihilfe) begehrt hatten.
Drei der Kläger begehrten Beihilfe für Kosten, die ihnen beim Bezug von medizinisch notwendigen, nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten entstanden waren. Das Landesverwaltungsamt Berlin lehnte die Anträge mit der Begründung ab, die Kosten seien nach dem 1. August 2004 entstanden. Ab diesem Zeitpunkt seien – aufgrund einer Änderung der Verwaltungsvorschriften über die Beihilfegewährung an Beamte – Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Medikamente generell nicht mehr erstattungsfähig. Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage.
Das Verwaltungsgericht hat den Klagen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit dem generellen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente von der Erstattungsfähigkeit (Beihilfefähigkeit) habe der Dienstherr das Beihilfesystem für Beamte strukturell geändert. Eine derart weitreichende Änderung könne nicht, wie geschehen, durch Verwaltungsvorschrift, sondern nur durch förmliches Gesetz oder Rechtsverordnung erfolgen.
Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente von der Beihilfefähigkeit verstoße außerdem gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Ein sachlich rechtfertigender Grund dafür, bei verschreibungspflichtigen Medikamenten Beihilfefähigkeit vorzusehen, bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten dagegen nicht, sei nicht ersichtlich.
Als verschreibungspflichtig werde ein Medikament in der Regel dann eingestuft, wenn es auch bei bestimmungsgemäßer Anwendung Gesundheitsgefahren für den Anwender mit sich bringe. Mithin seien nach der von den Klägern angegriffenen Änderung der Beihilfevorschriften der Sache nach nur noch „gefährliche“ Medikamente beihilfefähig; „ungefährliche“ dagegen nicht. Die geringere Gefährlichkeit eines Medikaments könne für sich genommen seinen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit aber nicht rechtfertigen.
Schließlich verstoße der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente von der Beihilfefähigkeit auch gegen die dem Dienstherrn gegenüber seinen Beamten aus Art. 33 Abs. 5 GG obliegende Fürsorgepflicht. Danach dürfe der Dienstherr seinen Beamten im Bereich der Vorsorge gegen Krankheitskosten keine unkalkulierbar hohen Risiken aufbürden. Genau dies sei aber mit dem völligen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit geschehen. Im Extremfall könnten danach hohe Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente das Gehalt des Beamten vollständig aufzehren.
In fünf weiteren Verfahren hat das Gericht den völligen Ausschluss von Medikamenten zur Behandlung erektiler Dysfunktion und die starke Einschränkung der Kostenerstattung für die Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit mit ähnlicher Begründung beanstandet und den jeweiligen Klägern Ansprüche auf weitere Beihilfezahlungen zugesprochen. Die Berufung wurde in allen Fällen zugelassen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.09.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 23/07 des VG Berlin vom 11.09.2007
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