21.11.2024
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Dokument-Nr. 7525

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Verwaltungsgericht Berlin Beschluss27.02.2009

Behörde muss Warnplakat vor Scientology vor Berliner Scientology-Zentrale entfernenStaatliche Neutra­li­täts­pflicht - Bezirksamt darf vorerst nicht vor Scientology warnen

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin muss ein vor der Zentrale der „Scientology Kirche e.V.“ befindliches Warnplakat vorerst entfernen, weil damit in unzulässiger Weise in das Recht der Gruppierung auf freie Ausübung ihrer Weltanschauung nach Art. 4 Abs. 1 GG eingegriffen wird. Mit dieser Begründung hat das Verwal­tungs­gericht Berlin einem entsprechenden Eilantrag von Scientology im Wesentlichen stattgegeben.

Das Bezirksamt hatte im Januar 2009 auf einer Litfasssäule unmittelbar vor dem von Scientology als „Kirchengebäude“ bezeichneten Sitz der Vereinigung in der Otto-Suhr-Allee ein Plakat angebracht. Unter einem „Stop“-Schild und der Überschrift „Die BVV zu den Aktivitäten von Scientology im Bezirk“ war der Text eines Beschlusses der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­sammlung vom 24. Januar 2007 abgedruckt. Ferner enthielt das Plakat einen Hinweis auf die bei der Senats­ver­waltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung angesiedelte Leitstelle für Fragen zu Sekten sowie auf das Bürgertelefon der Berliner Polizei, an das man sich beim Verdacht einer Straftat wenden könne.

Scientology sprach Passanten in aufdringlicher Weise an

Das Bezirksamt rechtfertigte sein Vorgehen damit, dass Scientology seit der Eröffnung der Zentrale vor zwei Jahren in aufdringlicher und massiver Weise versucht habe, Passanten auf öffentlichem Straßenland für sich anzuwerben. Daher habe die Behörde sich verpflichtet gefühlt, über die mit den Aktivitäten der Gruppierung verbundenen Risiken und Gefahr­po­tentiale zu informieren. Keinesfalls habe man gezielt verhindern wollen, dass Bürger sich bewusst für eine Mitgliedschaft bei Scientology entscheiden.

Richter: Warnplakat stellt Eingriff in das Grundrecht auf freie Weltanschauung dar

Die 27. Kammer des Gerichts folgte der Argumentation der Behörde nicht. Der Antragsteller habe einen Unter­las­sungs­an­spruch, weil der Eingriff in sein Grundrecht auf freie Weltanschauung nicht zu rechtfertigen sei. Eine Beeinflussung von Passanten gerade an dieser Stelle vor der der Zentrale von Scientology gegen deren Aktivitäten bedürfe vor allem im Hinblick auf die staatliche Neutra­li­täts­pflicht einer besonderen Rechtfertigung, an der es hier fehle. Zwar sei anerkannt, dass staatliche Stellen auf Bundes- oder Landesebene unter bestimmten Voraussetzungen vor Religions- und Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaften warnen dürften. Das Bezirksamt sei aber für die in Rede stehende Warnung schon nicht zuständig, weil Angelegenheiten der Religions- und Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaften Sache der Hauptverwaltung (hier der Senats­ver­waltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung) seien.

Richter: Warnplakat ist nicht geeignet

Ungeachtet dessen sei das Plakat aber weder erforderlich noch geeignet, um die Bürger des Bezirks vor etwa unzulässigen Werbeversuchen zu schützen; hierfür stünde das Straf- und das Ordnungsrecht zur Verfügung. Schließlich könne sich das Bezirksamt nicht auf seine Infor­ma­ti­o­ns­kom­petenz nach dem Bezirks­ver­wal­tungs­gesetz stützen, da hieraus nicht das Recht folge, in Grundrechte Dritter einzugreifen. Die Kammer hat den Eilantrag insoweit zurückgewiesen, als sich der Antragsteller gegen die Anbringung von Warnplakaten an anderen Stellen gewandt hat. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner auch an anderen Orten als vor der Zentrale vor Scientology warnen wolle.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 7/2009 des Verwaltungsgerichts Berlin vom 02.03.2009

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