21.11.2024
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Verwaltungsgericht Berlin Urteil17.06.2010

Ausländischer Familiennachzug: Abzug von Freibeträgen bei der Berechnung des Lebens­un­terhalts unzulässigFreibeträge bei Erwer­b­s­tä­tigkeit dienen nicht zur Deckung des Lebens­un­terhalts und dürfen nicht mehr abgezogen werden

Bei der Berechnung des Lebens­un­terhalts eines Ausländers, der nach Deutschland einreisen will, sind vom Famili­en­ein­kommen nicht die Erwer­b­s­tä­ti­gen­frei­beträge nach § 30 SGB II abzuziehen. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Berlin und nahm erstmals Bezug auf die neueste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der einer Klage zweier türkischer Kinder stattgegeben hatte, denen das Auswärtige Amt ein Visum unter Berufung auf nicht ausreichende finanzielle Mittel verweigert hatte.

Nach dem Aufent­halts­gesetz setzt die Erteilung eines Aufent­halt­s­titels für Ausländer voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Kranken­ver­si­che­rungs­schutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Von dem bei der Berechnung zugrunde zu legenden Einkommen sind nach der bisherigen Rechtsprechung so genannte Freibeträge (§§ 11 Abs. 2, 30 SGB II) abzuziehen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat diese Praxis bislang mit dem Argument bestätigt, nur auf diese Weise werde dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen, keinen Ausländer nach Deutschland einreisen zu lassen, der sogleich Anspruch auf ergänzende Sozia­l­hil­fe­leis­tungen habe.

Verwal­tungs­gericht bezieht sich auf Rechtsprechung des EuGH, der Famili­en­nach­zugs­richtlinie für nicht mehr zulässig hält

Das Verwal­tungs­gericht hält diese Praxis vor dem Hintergrund einer neueren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ("Chakroun") zur so genannten Famili­en­nach­zugs­richtlinie nicht mehr für zulässig. Der EuGH habe den Begriff der "Sozia­l­hil­fe­leistung" als eine Hilfe definiert, die gewährt werde, um einen Mangel an ausreichenden festen und regelmäßigen Einkünften zur Bestreitung des notwendigen Lebens­un­terhalts auszugleichen. Daraus ergibt sich nach Auffassung der Richter, dass die Freibeträge bei Erwer­b­s­tä­tigkeit nicht mehr abgezogen werden dürfen, weil diese nicht zur Deckung des Lebens­un­terhalts dienten, sondern einen Arbeitsanreiz darstellten. Im konkreten Fall durfte den Klägern daher der rechnerische Fehlbetrag von 87,39 Euro nicht entgegen gehalten werden.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Berlin

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