Dokument-Nr. 607
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Verwaltungsgericht Berlin Urteil16.06.2005
Gericht hebt rechtswidriges Tempo 30-Limit auf - eine pauschale Begründung für ein Tempolimit seitens der Behörde reicht nicht ausTempo 30-Limit ohne Sachverhaltsaufklärung rechtswidrig
Das Verwaltungsgericht Berlin hat der Klage eines Berliner Taxiunternehmers gegen ein Tempo 30-Limit auf einem Teilstück der Lehrter Straße in Berlin-Moabit stattgegeben.
Die seinerzeit zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung führte im Jahr 2002 im ca. 570 m langen Mittelstück der Lehrter Straße zwischen Seydlitzstraße und Kruppstraße eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 ein. In diesem Bereich befinden sich neben einzelnen Wohnhäusern im Süden Außenstellen des Amtsgerichts Tiergarten und der JVA Plötzensee, der Eingang zum ehemaligen Poststadion und ein Supermarkt. Nördlich und südlich dieses Bereiches besteht dichte Wohnbebauung; dort galt bereits zuvor Tempo 30. Im Vorfeld waren wiederholt Stellungnahmen des Polizeiabschnitts 33 sowie der Polizeidirektion 3 - die beide unmittelbar vor Ort ansässig sind - eingeholt worden. Beide Dienststellen hielten eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufgrund des gut übersehbaren Straßenverlaufs und der geringen Verkehrsdichte nicht für erforderlich. Es seien weder auffällig viele Geschwindigkeitsüberschreitungen noch Unfallschwerpunkte feststellbar. Gleichwohl wies die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Betreiben des sog. "Betroffenenrates", einer Bürgerinitiative, die zuständige Straßenverkehrsbehörde an, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 vorzunehmen. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.
Nach Auffassung der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts setzt eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h voraus, dass eine konkrete, über das ortsübliche Maß erheblich hinausgehende Gefährdung des Straßenverkehrs vorliege. Dafür sei hier nichts ersichtlich. Der betroffene Straßenabschnitt weise nur eine geringe Verkehrsdichte auf und sei durchgängig gut übersehbar; Kreuzungsverkehr finde nicht statt. Dies bestätigten die wiederholten Stellungnahmen der vor Ort ansässigen Polizeidienststellen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, insbesondere die zuständige Staatssekretärin, die bereits die Tempobeschränkung auf der AVUS auf Tempo 60 trotz negativer Stellungnahmen der Fachverwaltungen angeordnet hatte (und die im April 2003 von der 11. Kammer ebenfalls aufgehoben worden ist), habe sich hierüber ohne erkennbaren Grund, insbesondere ohne jegliche weitere Sachverhaltsermittlung vor Ort, hinweggesetzt. Die pauschale Begründung, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 reduziere das Unfallrisiko, sei unzureichend. Der Gesetzgeber habe sich innerorts für Tempo 50 als Regelfall entschieden und die damit verbundenen üblichen Gefahren des Straßenverkehrs hingenommen. An diese Grundentscheidung sei die Verwaltung gebunden.
Die Kammer ließ es offen, ob möglicherweise die Einführung einer einheitlichen Tempo-30-Zone für den gesamten Bereich Lehrter Straße, Seydlitzstraße und Kruppstraße zulässig wäre, die sich nach anderen Kriterien richte als die hier vorgenommene "normale" Temporeduzierung.
Gegen die Entscheidung ist der Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin, ab 1. Juli 2005: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, zulässig.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.06.2005
Quelle: Pressemitteilung Nr. 30/05 des VG Berlin vom 16.06.2005
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