23.11.2024
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Verwaltungsgericht Berlin Urteil16.06.2005

Gericht hebt rechtswidriges Tempo 30-Limit auf - eine pauschale Begründung für ein Tempolimit seitens der Behörde reicht nicht ausTempo 30-Limit ohne Sachver­halts­auf­klärung rechtswidrig

Das Verwal­tungs­gericht Berlin hat der Klage eines Berliner Taxiun­ter­nehmers gegen ein Tempo 30-Limit auf einem Teilstück der Lehrter Straße in Berlin-Moabit stattgegeben.

Die seinerzeit zuständige Senats­ver­waltung für Stadt­ent­wicklung führte im Jahr 2002 im ca. 570 m langen Mittelstück der Lehrter Straße zwischen Seydlitzstraße und Kruppstraße eine Geschwin­dig­keits­be­schränkung auf Tempo 30 ein. In diesem Bereich befinden sich neben einzelnen Wohnhäusern im Süden Außenstellen des Amtsgerichts Tiergarten und der JVA Plötzensee, der Eingang zum ehemaligen Poststadion und ein Supermarkt. Nördlich und südlich dieses Bereiches besteht dichte Wohnbebauung; dort galt bereits zuvor Tempo 30. Im Vorfeld waren wiederholt Stellungnahmen des Polizei­ab­schnitts 33 sowie der Polizei­di­rektion 3 - die beide unmittelbar vor Ort ansässig sind - eingeholt worden. Beide Dienststellen hielten eine Geschwin­dig­keits­be­schränkung aufgrund des gut übersehbaren Straßenverlaufs und der geringen Verkehrsdichte nicht für erforderlich. Es seien weder auffällig viele Geschwin­dig­keits­über­schrei­tungen noch Unfall­schwer­punkte feststellbar. Gleichwohl wies die Senats­ver­waltung für Stadt­ent­wicklung auf Betreiben des sog. "Betrof­fe­nenrates", einer Bürge­r­i­n­i­tiative, die zuständige Straßen­ver­kehrs­behörde an, eine Geschwin­dig­keits­be­schränkung auf Tempo 30 vorzunehmen. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Nach Auffassung der 11. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts setzt eine Geschwin­dig­keits­be­schränkung auf 30 km/h voraus, dass eine konkrete, über das ortsübliche Maß erheblich hinausgehende Gefährdung des Straßenverkehrs vorliege. Dafür sei hier nichts ersichtlich. Der betroffene Straße­n­ab­schnitt weise nur eine geringe Verkehrsdichte auf und sei durchgängig gut übersehbar; Kreuzungs­verkehr finde nicht statt. Dies bestätigten die wiederholten Stellungnahmen der vor Ort ansässigen Polizei­dienst­stellen. Die Senats­ver­waltung für Stadt­ent­wicklung, insbesondere die zuständige Staats­se­kretärin, die bereits die Tempo­be­schränkung auf der AVUS auf Tempo 60 trotz negativer Stellungnahmen der Fachver­wal­tungen angeordnet hatte (und die im April 2003 von der 11. Kammer ebenfalls aufgehoben worden ist), habe sich hierüber ohne erkennbaren Grund, insbesondere ohne jegliche weitere Sachver­halt­s­er­mittlung vor Ort, hinweggesetzt. Die pauschale Begründung, eine Geschwin­dig­keits­be­schränkung auf Tempo 30 reduziere das Unfallrisiko, sei unzureichend. Der Gesetzgeber habe sich innerorts für Tempo 50 als Regelfall entschieden und die damit verbundenen üblichen Gefahren des Straßenverkehrs hingenommen. An diese Grund­ent­scheidung sei die Verwaltung gebunden.

Die Kammer ließ es offen, ob möglicherweise die Einführung einer einheitlichen Tempo-30-Zone für den gesamten Bereich Lehrter Straße, Seydlitzstraße und Kruppstraße zulässig wäre, die sich nach anderen Kriterien richte als die hier vorgenommene "normale" Tempo­re­du­zierung.

Gegen die Entscheidung ist der Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberver­wal­tungs­gericht Berlin, ab 1. Juli 2005: Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg, zulässig.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 30/05 des VG Berlin vom 16.06.2005

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