Dokument-Nr. 574
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Verwaltungsgericht Berlin Beschluss01.06.2005
Feinstaub: VG Berlin weist Eilantrag auf Erstellung eines Aktionsplanes zur Luftreinhaltung zurückViel Staub um Aktionsplan zur Luftreinhaltung
Die Antragsteller wohnen an der stark befahrenen Frankfurter Allee bzw. am Frankfurter Tor in Berlin, in deren Bereich die seit dem 1. Januar 2005 geltenden Grenzwerte für Feinstaubbelastung überschritten wurden. Sie befürchten erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen und beantragten bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Ende Dezember 2004 Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte. Mit ihrem Eilantrag bei der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts hatten sie erfolglos begehrt, den Kraftfahrzeugverkehr in der Berliner Innenstadt vollständig für Dieselfahrzeuge ohne Rußpartikelfilter zu sperren, hilfsweise den Kraftfahrzeugverkehr so zu beschränken, dass die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte in ihrem Wohnbereich sichergestellt sei (vgl. VG 11 A 226.05; die Beschwerde hierzu ist beim Oberverwaltungsgericht Berlin zu OVG 1 S 44.05 anhängig). Ihr weiteres Begehren auf einstweilige Erstellung eines Aktionsplanes zur Luftreinhaltung, der festlegen soll, welche geeigneten Maßnahmen kurzfristig zu ergreifen sind, um die Grenzwerte einzuhalten, war bei der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts nunmehr ebenfalls erfolglos.
Nach Auffassung der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts ist der Eilantrag unzulässig. Die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bestehende Pflicht der zuständige Behörde, einen Aktionsplan aufzustellen, wenn die Gefahr besteht, dass die festgelegten Immissionsgrenzwerte überschritten werden, bestehe allein im Allgemeininteresse und gebe dem Einzelnen keinen Anspruch hierauf (ebenso die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts München, Beschluss vom 27. April 2005; anderer Auffassung die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart, Urteil vom 31. Mai 2005). Dies ergebe sich bereits aus der Gesetzesbegründung, wonach es sich bei den aufzustellenden Luftreinhalte- und Aktionsplänen um bloße Verwaltungsinterna handele, die den einzelnen Bürger weder zu binden vermögen, noch diesem im Gegenzug individuelle Rechte verschaffen können. Auch auf den Erlass sonstiger Umweltpläne, wie beispielsweise Lärmminderungspläne, bestehe kein klagbarer Anspruch des Einzelnen. Im Übrigen habe der Antragsgegner bereits im Februar 2005 einen in den Luftreinhalteplan integrierten Aktionsplan vorgestellt, der zwischenzeitlich das Stadium der Öffentlichkeitsbeteiligung durchlaufen habe und demnächst in Kraft treten werde. Soweit die Antragsteller diesen Aktionsplan als “Mogelpackung” bezeichneten, sei dem entgegenzuhalten, dass der Planentwurf durchaus kurzfristig wirksame Maßnahmen beinhalte. So sehe er unter Anderem eine Umrüstung der Fahrzeuge des ÖPNV, eine Aktionskampagne zur Staubvermeidung für Baustellen sowie ggf. auch noch nicht näher bezeichnete lokale Verkehrslenkungsmaßnahmen vor. Weiterhin habe der Antragsgegner weitere kurzfristige Maßnahmen in Betracht gezogen, diese im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative aber mangels Effektivität verworfen (so z.B. eine verstärkte Straßenreinigung) oder weil er sie nicht als verursachergerecht bzw. verhältnismäßig angesehen habe (z.B. einzelne Straßenverkehrsmaßnahmen, die lediglich zu einer Verkehrs- und damit Feinstaubverlagerung führen). Angesichts der Komplexität der Problematik, der vielfältigen Quellen der Feinstaub-Partikel und der Tatsache, dass nach derzeitigem Kenntnisstand ein Großteil der Partikel von Quellen außerhalb des Einflussbereichs des Antragsgegners in die Berliner Luft eindringe, sei der Aktionsplan nicht als von vornherein ungeeignet anzusehen. Zudem stehe dem Antragsgegner bezüglich der von ihm für notwendig und wirksam erachteten Maßnahmen ein Prognose- und Beurteilungsspielraum zusteht, der nur in eingeschränktem Maße der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Es widerspräche dem Grundsatz der Gewaltenteilung, wenn das Gericht dem Antragsgegner vorschriebe, welche Maßnahmen zur Reduzierung der Feinstaubbelastung kurzfristig wirksam und deshalb zu ergreifen seien. Ein “Königsweg” zur (insbesondere kurzfristigen) Reduzierung der Feinstaubpartikel sei nicht ersichtlich und habe sich deshalb dem Antragsgegner nicht aufdrängen müssen. Gegebenenfalls müsse auf mittel- und langfristig wirksame Maßnahmen zurückgegriffen werden, wie dies auch eine von der Weltgesundheitsorganisation im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Studie zum Stand der Wirkungsforschung zu Feinstaub nahelege. Schließlich folge auch aus Gemeinschaftsrecht kein subjektives Recht auf Erstellung eines Aktionsplanes.
Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin zulässig.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.06.2005
Quelle: Pressemitteilung Nr. 25/05 des VG Berlin vom 02.06.2005
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