Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Frau ihren Wagen im Kreuzungsbereich zweier Straßen abgestellt. Der Abstand zum Schnittpunkt der Fahrbahnkanten betrug 1,35 m. Die Verkehrsüberwachung lies das Fahrzeug abschleppen, da es zu einer Sichtbehinderung im Einmündungsbereich geführt und Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn behindert haben solle. Die Frau musste für das "Auslösen" ihres Wagens bei der Abschleppfirma 129,- EUR zahlen.
Vor Gericht verlangte sie, dass die Behörde ihr die Abschleppkosten erstatte. Sie argumentierte, dass die Abschleppmaßnahme rechtsmissbräuchlich gewesen sei.
Das Verwaltungsgericht Aachen wies die Klage ab. Die Frau haben keine Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten, da die Abschleppmaßnahme rechtmäßig gewesen sei.
Die Verkehrsüberwachung habe den Wagen abschleppen lassen dürfen, um eine bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren. Die öffentliche Sicherheit umfasste neben dem Schutz von Leib und Leben die öffentliche Rechtsordnung schlechthin. Eine Gefahr bzw. Störung liege daher bereits dann vor, wenn gegen öffentlich-rechtliche - hier straßenverkehrsrechtliche - Vorschriften verstoßen werde, führte das Gericht aus.
In dem Abstellen des Fahrzeugs im Kreuzungsbereich habe ein Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO vorgelegen. Danach sei das Parken vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen bis zu je 5 m von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten unzulässig.
Die Anordnung der Entfernung des Fahrzeugs sei zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig gewesen und habe dem aus dem Verfassungsrecht (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) folgenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen, so das Gericht.
Ein milderes Mittel als das Abschleppen habe es im Fall nicht gegeben, führte das Gericht aus. Als milderes Mittel komme zwar regelmäßig auch die Benachrichtigung des Fahrzeugführers, um diesem Gelegenheit zu geben, das Fahrzeug freiwillig zu versetzen. Hier sei aber der der Fahrzeugführer nicht sofort greifbar gewesen und eine sofortige Entfernung des Fahrzeuges damit ungewiss gewesen.
Zwar rechtfertige das Vorliegen eines bloßen Verkehrsverstoßes ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht ohne weiteres das Vorgehen im Verwaltungszwang. Mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar sei das Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Fahrzeuges aber (jedenfalls) dann, wenn mit dem verkehrswidrigen Parken eine Funktionsbeeinträchtigung der Verkehrsfläche verbunden sei. Auf das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung komme es dabei nicht an.
Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das Fahrzeug der Klägerin zwangsweise entfernt werden, um die mit der Vorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO verfolgte Regelungsabsicht durchzusetzen. Zweck der Vorschrift sei Verkehrsbehinderungen und Sichtbehinderungen im Einmündungs- und Kreuzungsbereich zu vermeiden.
Vorschriftswidriges Parken im Einmündungs- und Kreuzungsbereich erschwere die Übersicht in diesem Bereich, verkürze die Reaktionszeiten der Verkehrsteilnehmer bei einbiegendem oder sich kreuzendem Verkehr und erhöhe damit die Gefahr von Unfällen. Fußgänger, die die Fahrbahn überqueren, seien in ihrer Sicht auf fahrende Fahrzeuge behindert und könnten ihrerseits vom fahrenden Verkehr infolge eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeuges nur verspätet wahrgenommen werden. Dies gelte - aufgrund ihrer Körpergröße und ihrer relativen Unerfahrenheit im Straßenverkehr - in besonderem Maße für Kinder. Die mit der Vorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO bezweckte Funktion, Gefahren und Behinderungen durch parkende Fahrzeuge im Einmündungs- und Kreuzungsbereich zu vermeiden, werde daher regelmäßig durch verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge beeinträchtigt, so dass deren zwangsweises Entfernen grundsätzlich gerechtfertigt sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.08.2010
Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Aachen (pt)