In der Silvesternacht 2000/2001 wurde die damals 12jährige Klägerin von einem Feuerwerkskörper, einem so genannten "Bienchen" getroffen. Nach den Herstellervorgaben sollte das "Bienchen" in einem ausreichenden Sicherheitsabstand zu anderen Personen auf einer ebenen, nicht brennbaren Unterlage angezündet werden; hiernach sollte es sich erst drehen, dann senkrecht aufsteigen und schließlich explodieren/versprühen. Zu dem vorgesehenen senkrechten Aufstieg kam es aber nicht. Das von der 16jährigen Beklagten gezündete "Bienchen" flog gegen den Unterkörper der 5 - 6 m neben der "Abschussstelle" stehenden Klägerin. Ob Grund hierfür der schlecht gewählte Untergrund oder nur der stark wehende Wind war, ließ sich im Nachhinein nicht mehr sicher feststellen.
Das "Bienchen" setzte den wegen seines synthetischen Materials leicht entzündlichen Anorak der Klägerin in Brand; in der Folge erlitt diese an Unterbauch und Oberschenkeln großflächige und schwerwiegende Verbrennungen 2. und 3. Grades (betroffen waren ca. 10 % der Körperoberfläche).
Wegen der schweren Verletzungen hat die Klägerin Schadensersatz verlangt. Das Landgericht Mühlhausen hat ihrer Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagte dazu verurteilt, 75 % des Schadens der Klägerin zu tragen. Die restlichen 25 % stünden ihr nicht zu. Weil sie sich bewusst einer Gefahr ausgesetzt habe, träfe sie ein in dieser Höhe zu bewertendes Mitverschulden.
Das Thüringer Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts auf die Berufung der Beklagten abgeändert und festgestellt, dass diese (nur) verpflichtet ist, 50 % des Schadens der Klägerin zu ersetzen.
Das Gericht hat zur Begründung ausgeführt, dass der Beklagten eine nicht vorschriftsmäßige Handhabung des "Bienchens" vorzuwerfen sei. Sie habe den Feuerwerkskörper in einer bei dem windigen Wetter zu geringen Entfernung von nur 5 - 6 m neben der Klägerin gezündet. Ob die Ursache des nicht senkrechten Flugverlaufs (auch) darin zu suchen sei, dass die Beklagte das "Bienchen" nicht auf ebenem Untergrund angezündet habe oder ob (nur) die Windverhältnisse ein senkrechtes Aufsteigen verhindert hätten, könne offenbleiben. Die Beklagte habe in jedem Fall pflichtwidrig gehandelt und hafte daher, wenn auch im Ergebnis nur mit einer Quote von 50 %.
Die Klägerin träfe ein erhebliches Mitverschulden an der Entstehung des Schadens, insbesondere am Schadensumfang. Sie habe sich nicht nur bewusst einer Gefährdung durch das Silvesterfeuerwerk ausgesetzt. Eine wesentliche Ursache für die Verletzungen läge im Tragen des leicht entzündlichen synthetischen Anoraks. Nicht die unmittelbare Einwirkung des Feuerwerkskörpers, sondern - nach ärztlicher Einschätzung - erst die brennende Kleidung habe zu den großflächigen und schwerwiegenden Brandverletzungen geführt. Die Auswahl der für das Betrachten des in der Nähe gezündeten Silvesterfeuerwerks "ungenügenden" Bekleidung sei der (minderjährigen) Klägerin auch zuzurechnen, und zwar - mit den Worten des Urteils - entweder "unmittelbar oder über das Verhalten ihrer erziehungsberechtigten Eltern."
Im Ergebnis hat das Gericht der Klägerin ein Schmerzensgeld von 15.000,- € sowie materiellen Schadensersatz von rund 2.000,- € (für die brandzerstörte Kleidung, für Heilbehandlungskosten, die die Krankenkasse nicht übernommen hat etc.) zugesprochen; darüber hinaus hat er die 50prozentige Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden der Klägerin festgestellt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.12.2011
Quelle: ra-online, Thüringer OLG