21.11.2024
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Dokument-Nr. 8374

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Thüringer Oberlandesgericht Jena Urteil27.08.2009

Keine Geldent­schä­digung für Bezeichnung als "Nazi"Aussage ist nicht als Tatsa­chen­be­hauptung sondern als Werturteil einzustufen

Ein Teilnehmer einer Diskus­si­onsrunde in einer Fernsehsendung, der als "Neonazi" bezeichnet wird, hat keinen Anspruch auf Geldent­schä­digung, da es sich bei der Aussage eher um ein Werturteil als um eine Tatsa­chen­be­hauptung handelt. Dies entschied das Thüringer Oberlan­des­gericht.

Im Herbst 2006 hat der Offene Kanal Gera (ein örtlicher TV-Sender) rund 30 Mal einen Beitrag gesendet, der den Mitschnitt einer öffentlichen Diskus­si­onsrunde zu dem Thema "Nazis raus aus den Köpfen" zeigt. Hierbei war der Kläger, der eine Sicher­heitsfirma betreibt und wegen Körper­ver­letzung verurteilt ist, als vorbestrafter "Neonazi" bezeichnet worden.

Kläger sah seinen Ruf geschädigt

Der Kläger sah in der im Fernsehbeitrag ausgestrahlten Äußerung eine schwerwiegende Verleumdung und Rufschädigung. Er hat deshalb den ihn als "Nazi" bezeichnenden Diskus­si­ons­teil­nehmer und den für den Mitschnitt verant­wort­lichen Kameramann auf eine Geldent­schä­digung von mindestens 28.000,- € verklagt.

Landgericht Gera hatte die Klage abgewiesen

Das Landgericht Gera hat die Klage im Juni vergangenen Jahres abgewiesen. Das Thüringer Oberlan­des­gericht hat dies in zweiter Instanz bestätigt und festgestellt, dass ein Geldent­schä­di­gungs­an­spruch aus mehreren Gründen nicht besteht.

Gericht stuft Äußerung als subjektive Meinung ein

Das Gericht hat die vom Kläger beanstandete Äußerung nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil, d.h. als (subjektive) Meinung eingestuft. Es spräche viel dafür, dass die Äußerung vom Grundrecht auf freie Meinung­s­äu­ßerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt sei. Allein eine polemische oder verletzende Formulierung entziehe einer Meinung­s­äu­ßerung nicht dem Grund­rechts­schutz, wie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht jüngst für die Formulierung "durchgeknallter Staatsanwalt" entschieden habe (vgl. Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Urteil v. 12.05.2009 - 1 BvR 2272/04 -).

Schweres Verschulden durch Aussage nicht vorzuwerfen

Selbst wenn man die Äußerung als (unrichtige) Tatsa­chen­be­hauptung werte, stünde dem Kläger keine Geldent­schä­digung zu. Dem beklagten Diskus­si­ons­teil­nehmer sei jedenfalls kein schweres Verschulden vorzuwerfen. Der Begriff "Nazi" ließe verschiedenste Verwen­dungs­weisen zu, die "von einer streng historischen Terminologie bis zum substanzlosen Schimpfwort reichten". Nach ihrem Gesamt­zu­sam­menhang seien die Äußerungen des Beklagten in der Diskus­si­onsrunde so zu verstehen, dass der Kläger mit der rechten Szene in Zusammenhang stehe. Entsprechende Presseartikel hätten vorgelegen, wonach die Geraer Polizei den Kläger zu den Sympathisanten der rechten Szene zähle. Der verwandte Begriff "Nazi" sei als "schlag­wort­artige Verkürzung" dieses Umstands zu begreifen.

Eine Geldent­schä­digung könne der Kläger schließlich auch deshalb nicht verlangen, weil er nicht - was vorrangig gewesen wäre - auf Unterlassung, Widerruf oder Gegen­dar­stellung gedrungen habe.

Quelle: ra-online, Thüringer OLG

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