Sozialgericht Osnabrück Urteil16.05.2019
Unfallversicherungsschutz besteht auch nach Verlassen des direkten Weges aus SicherheitsgründenGemeinsamer Weg und Öffnen eines Juweliergeschäfts mit weisungsbefugter Kollegin zur Vermeidung der Gefahr eines Überfalls sinnvoll
Das Sozialgericht Osnabrück hat entschieden, dass ein unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehender Wegeunfall auch dann vorliegt, wenn die Angestellte eines Juweliergeschäfts vom eigentlich direkten Weg abweicht und einen gewöhnlich vereinbarten Treffpunkt mit ihrer Vorgesetzten aufgesucht, um mit dieser gemeinsam das Geschäft zu öffnen.
Die 1978 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist seit fast 20 Jahren bei einem Juwelier beschäftigt. Auf ihrem Arbeitsweg biegt die Klägerin morgens gewohnheitsmäßig kurz vor dem Juweliergeschäft zu einem ca. 180 m entfernten Parkhaus ab, um sich dort mit ihrer Kollegin, der Geschäftsführerin und Besitzerin des Schlüssels für das Juweliergeschäft, zu treffen. Sie legen den Weg vom Parkhaus zum Juweliergeschäft dann gemeinsam zurück und schließen auch gemeinsam das Juweliergeschäft auf. Im Februar 2018 rutschte die Klägerin mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Parkhaus auf Glatteis weg und erlitt einen Bruch des Wadenbeins.
Berufsgenossenschaft lehnt Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, dass die Klägerin sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem direkten Weg zu ihrer Arbeitsstätte befunden habe. Die Klägerin wandte gegen diese Entscheidung ein, dass sie sich aus Sicherheitsgründen immer mit ihrer Kollegin am Parkhaus treffe.
Unmittelbarer Weg wurde aus Sicherheitsgründen und nicht aus eigenwirtschaftlichen Gründen verlassen
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Vernehmung des Eigentümers des Juweliergeschäfts als Zeugen schloss sich das Sozialgericht Osnabrück der Einschätzung der Klägerin an. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass auch der Weg zum Parkhaus als versicherter Weg nach § 8 Abs. 2 Nummer 1 SGB VII anzusehen sei, da auch dieser Weg der versicherten Beschäftigung zuzurechnen sei. Die Klägerin habe den unmittelbaren Weg nicht aus eigenwirtschaftlichen Gründen verlassen. Sie habe sich am nahegelegenen Parkhaus mit ihrer Kollegin, der Schlüsselträgerin und ihr gegenüber weisungsbefugten Geschäftsführerin, treffen wollen. Der Weg vom Parkhaus zum Juweliergeschäft und auch das Öffnen des Juweliergeschäftes sei ein aus Sicherheitsaspekten dem Unternehmen dienender Grund und nicht nur eine nette Geste der Klägerin. Die Begleitung sei objektiv sinnvoll, da der Gefahr eines Überfalls begegnet werden solle, so das Gericht.
Hinweis zur Rechtslage
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)
§ 7 Begriff
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.
§ 8 Arbeitsunfall
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2. [...]
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.05.2019
Quelle: Sozialgericht Osnabrück/ra-online (pm/kg)