18.10.2024
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Sozialgericht Osnabrück Urteil09.09.2019

Kein Kostenzuschuss der Pflege­ver­si­cherung für Treppenlift in den KellerAnspruch auf Kostenübernahme besteht nur bei Verbesserung des individuellen Wohnumfelds

Ein Anspruch gegen die private Pflege­ver­si­cherung auf einen Kostenzuschuss für einen Treppenlift besteht nicht, wenn damit nicht das individuelle Wohnumfeld verbessert wird. Dies entschied das Sozialgericht Osnabrück.

Die 1946 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Falls bewohnt ein Einfamilienhaus. Sie ist wegen einer Schädigung des Rückenmarks (sogenannte Myelopathie) bei zervikaler Spina­l­ka­nals­tenose stark bewegungs­ein­ge­schränkt. Darüber hinaus bestehen eine Hüftarthrose, ein multi­fak­to­rielles Schmerzsyndrom sowie ein insulin­pflichtiger Diabetes mellitus Typ II. Die Klägerin ist unter anderem mit zwei Elektro­roll­stühlen versorgt, einmal zur Nutzung im Keller sowie einmal zur Nutzung im Erdgeschoss und außer Haus. Sie erhält nach Überleitung aus der Pflegestufe III seit dem 1. Januar 2017 Leistungen nach dem Pflegegrad 4. Der Keller ist nur durch eine steile Treppe erreichbar. Dort befinden sich ein einmal täglich für 15 Minuten genutzter Massagesessel, eine an der Decke fest installierte Hängeschaukel sowie ein Fahrra­d­er­g­ometer.

Klägerin beantragt Zuschuss für Treppenlift

Im Februar 2016 beantragte die Klägerin bei der beklagten privaten Pflege­ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft einen Zuschuss für einen Treppenlift, um den im Keller befindlichen Massagesessel sowie die Hängeschaukel leichter erreichen zu können.

Versicherung verneint nennenswerten Erleichterung der Pflege durch Einbau des Treppenlifts

Dies lehnte die Versicherung nach Einholung von zwei Gutachten ab. Der Treppenlift führe nicht zu einer nennenswerten Erleichterung der Pflege. Die Klägerin ließ den Treppenlift im April 2016 ungeachtet dessen zu einem Preis von 5.500 Euro einbauen und machte diesen Betrag klageweise gegenüber ihrer Versicherung geltend mit der Begründung, die häusliche Therapie durch die Nutzung des Massagesessels und der Hängeschaukel trage zur Linderung ihrer Beschwerden bei. Andere Heilmit­tel­ver­sor­gungen kämen aufgrund ihrer Bewegungs­ein­schrän­kungen nicht in Betracht oder hätten abgebrochen werden müssen. Der Einbau des Treppenlifts in den Keller bedeute für sie einen erheblichen Zuwachs an selbstständiger Lebensführung.

SG: Voraussetzungen für Bezuschussung nicht erfüllt

Vor dem Sozialgericht Osnabrück hatte die Klägerin mit ihrer Klage keinen Erfolg. Das Gericht sah die erforderlichen Voraussetzungen des § 4 Absatz 7 MB/PPV 2015 für die Bezuschussung der Kosten für behinderungs- und pflegebedingte bauliche Maßnahmen als nicht erfüllt an. Nach dieser Regelung können nachrangig finanzielle Zuschüsse gewährt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst eigenständige Lebensführung der versicherten Person wieder­her­ge­stellt wird.

Massagesessel und hängenden Deckelschaukel stellen keine Maßnahmen der häuslichen Pflege dar

Die vom Sozialgericht Osnabrück beauftragten Sachver­ständigen haben übereinstimmend dargelegt, dass die von der Klägerin im Keller des Hauses durchgeführten Massagen im Massagesessel sowie das Verbleiben in der von der Decke hängenden Deckelschaukel keine Maßnahmen der häuslichen Pflege darstellen. Der bloße Umstand, dass die durchgeführten Maßnahmen subjektiv zur Linderung der Beschwerden der Klägerin beitragen und damit ihrer Gesunderhaltung dienen, ändert daran nichts.

Einbau des Treppenlifts stellt keine selbstständige Lebensführung der Klägerin her

Ferner hat das Sozialgericht auch darauf verwiesen, dass der Einbau eines Treppenlifts keine möglichst selbstständige Lebensführung der Klägerin wiederherstellt. Denn gemeint sind in diesem Zusammenhang nur elementare Belange der Lebensführung. Außerdem ist erforderlich, dass die Pflegeperson unabhängiger wird. Dies ist indessen nicht der Fall. Denn die Klägerin kann sich nicht eigenständig vom Elektro­rollstuhl auf den Treppenlifter und zurück bewegen. Überdies zweifeln beide Sachverständige den (therapeutischen) Mehrwert der Nutzung des Massagesessels und der Schaukel an. Schließlich blieb auch für das Gericht nicht nachvollziehbar, warum der Massagestuhl nicht auch im geräumigen Wohnzimmer des Einfa­mi­li­en­hauses aufgestellt werden kann.

Hinweis zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 4 Abs. 7 letzter Satz Allgemeine Versi­che­rungs­be­din­gungen für die private Pflege­pflicht­ver­si­cherung - Bedingungsteil - (MB/PPV) für das Jahr 2015:

Für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes der versicherten Person, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, können gem. Nr. 4.3 des Tarifs PV subsidiär finanzielle Zuschüsse gezahlt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung der versicherten Person wieder­her­ge­stellt wird.

Quelle: Sozialgericht Osnabrück/ra-online (pm/kg)

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