15.11.2024
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Dokument-Nr. 18335

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Urteil05.06.2014Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht2 U 2/14
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil05.06.2014

Wohnungsnot auf Sylt - Rückruf eines Erbbaurechts aus sozialen Gründen gerechtfertigtIm Erbbau­rechts­vertrag enthaltenen Bestimmungen zur ausschließ­lichen Eigennutzung des Eigentümers stellen keine unangemessene Benachteiligung des Erbbau­be­rech­tigten dar

Die Gemeinde Sylt kann von einem Erb­bau­rechts­berechtigten eines Reihenhauses in Westerland die Rückübertragung des Erbbaurechts (Heimfall) verlangen, wenn dieser sich nicht an die Reglung in dem Erbbau­rechts­vertrag über die Eigennutzung des Bauwerks hält. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Gemeinde Sylt ist Eigentümerin eines mit einer Reihenhauszeile bebauten Grundstücks in Westerland. Die Reihenhauszeile besteht aus mehreren Einheiten und befindet sich etwa 600m vom Strand entfernt. Im Jahr 2005 erwarb die Gemeinde das Grundstück von der Bundesrepublik Deutschland und ließ für jede "Hausscheibe" ein Wohnungs­erb­baurecht im Grundbuch mit einer Laufzeit von 99 Jahren eintragen. Anschließend veräußerte sie das Wohnungs­erb­baurecht weit unter dem Verkehrswert. Nach dem Erbbau­rechts­vertrag sind die Erwerber verpflichtet, das Wohngebäude ausschließlich für sich und die in ihrem Haushalt lebenden Familien­an­ge­hörigen zu Wohnzwecken im Sinne eines Hauptwohnsitzes zu nutzen. Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung sieht der Erbbau­rechts­vertrag vor, dass die Gemeinde die Rückübertragung des Erbbaurechts verlangen kann. Mit dieser Regelung wollte die Gemeinde den Wohnbedarf der ortsansässigen Bevölkerung decken.

Gemeinde Sylt verlangt Rückübertragung des Erbbaurechts wegen nicht vertragsgemäßer Nutzung der Wohnung

Der Beklagte wohnt in Dortmund und ist Inhaber des Wohnungs­erb­bau­rechts an einem der Reihenhäuser, das er ohne Kenntnis der Gemeinde fremdvermietete. Als er den monatlichen Mietzins von 860 Euro kalt (für circa 78 Quadratmeter) auf 1.032 Euro kalt anheben wollte, wandten sich die Mieter an die Gemeinde Sylt. Diese mahnte beim Beklagten an, die Wohnung entsprechend der Regelung im Erbbau­rechts­vertrag zu nutzen. Als die Mahnung und anschließende Verhandlungen zu keinem Ergebnis führten, verlangte die Gemeinde Sylt vor Gericht die Rückübertragung des Erbbaurechts.

Verwen­dungs­ver­ein­ba­rungen mit sozialen Zielvor­stel­lungen in Erbbau­rechts­ver­trägen zulässig

Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht entschied, dass die Gemeinde Sylt von dem Beklagten die Rückübertragung des Erbbaurechts verlangen kann, weil dieser das Objekt nicht als Wohnung für sich und/oder seine Angehörigen nutzt, sondern es fremdvermietet hat. Die im Erbbau­rechts­vertrag enthaltenen Bestimmungen stellen keine unangemessene Benachteiligung des Erbbau­be­rech­tigten dar. Verwen­dungs­ver­ein­ba­rungen mit sozialen Zielvor­stel­lungen in Erbbau­rechts­ver­trägen sind zulässig.

Ohne Bestimmungen würde Wohnraum im Wesentlichen für Zweit- oder Ferienwohnungen genutzt werden

Die Gemeinde verfolgt mit der Ausgestaltung der Erbbau­rechts­verträge den Zweck, den Wohnbedarf der ortsansässigen Bevölkerung zu decken, und zwar insbesondere für Bevöl­ke­rungs­gruppen mit besonderen Wohnraum­ver­sor­gungs­pro­blemen. Dass dies auf Sylt einen großen Teil der ortsansässigen Bevölkerung betrifft, ist aufgrund vielfacher überregionaler Presse­be­rich­t­er­stattung sowie der aktuell in Schleswig-Holstein geführten Diskussion über die Einführung einer Mietkap­pungs­gren­zen­ver­ordnung (nach § 558 Absatz 3 BGB) allgemeinkundig. Die Gemeinde verfolgt dementsprechend ein berechtigtes Anliegen, wenn sie dafür Sorge tragen will, dass nicht schon Personen mit einem Durch­schnitt­s­ein­kommen weitgehend vom Wohnungsmarkt auf Sylt ausgeschlossen sind. Die Personen, die etwa zur Aufrecht­er­haltung der Infrastruktur und im Tourismus auf der Insel tätig sind, könnten ansonsten keinen ersten Wohnsitz mehr auf Sylt haben, so dass vorhandener Wohnraum im Wesentlichen für Zweit- oder Ferienwohnungen genutzt würde.

Höhe der Entschädigung ist noch zu klären

In welcher Höhe dem Beklagten eine Entschädigung zusteht, ist noch gesondert zu klären. Nach dem Erbbau­rechts­vertrag kann er von der Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin eine Entschädigung in Höhe von 2/3 des Verkehrswertes des Bauwerks nebst Zubehör und Außenanlagen im Zeitpunkt der Rückübertragung (Heimfalls) verlangen.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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