21.11.2024
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Sächsisches Landessozialgericht Beschluss30.04.2010

Sächsisches LSG: Umweltprämie darf nicht als Einkommen bei Hartz IV angerechnet werdenAbwrackprämie ist eine zweckbestimmte Einnahme

Die Umweltprämie (sog. Abwrackprämie) darf Beziehern von Hartz IV nicht als Einkommen angerechnet werden. Dies hat das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht entschieden. Die Abwrackprämie stelle eine zweckbestimmte Einnahme dar und diene nicht der Sicherung des Lebens­un­terhalts.

Die Antragstellerin bezog seit August 2005 durchgängig Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB II). Im März 2009 erwarb sie unter Ausnutzung der Umweltprämie einen neuen Pkw und gab ihr altes Fahrzeug, Baujahr 1997, ab. Den Restkaufpreis von mehr als 9.000 EUR finanzierte sie über Ratenzahlung. Die Prämie floss direkt vom Konto des Autohauses in die Finanzierung ein. Der Landkreis Mittelsachsen rechnete die Umweltprämie für ein Jahr als monatliches Einkommen in Höhe von 208,33 EUR an und gewährte im Folgezeitraum von 01.10.2010 bis 31.03.2010 entsprechend geminderte Leistungen. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte beim Sozialgericht Chemnitz erfolglos die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

Sozialgericht Chemnitz wertete Umweltprämie nicht als zweckbestimmte Leistung

Der Landkreis und das Sozialgericht Chemnitz hatten argumentiert, dass die Umweltprämie nicht als zweckbestimmte Leistung unberück­sichtigt bleiben könne, da diese Summe um ein Vielfaches die derzeitige Regelleistung von 359,00 EUR monatlich überschreite, so dass daneben der weitere Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt erscheine. Die Antragstellerin hat daraufhin Mietschulden auflaufen lassen und sich von Bekannten Geld geliehen, um die Autoraten bezahlen zu können.

Landes­so­zi­al­gericht sieht Abwrackprämie als zweckbestimmte Einnahme an

Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz aufgehoben und den Landkreis vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin für Oktober 2009 bis März 2010 weitere Leistungen in Höhe von 208,33 EUR monatlich zu gewähren. Bei der Umweltprämie handele es sich um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, die einem anderen Zweck als die Leistung nach dem SGB II diene und darüber hinaus die Lage der Antragstellerin nicht so günstig beeinflusse, dass daneben Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts nicht gerechtfertigt wären. Denn diese Regelung solle einerseits verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Geldleistung durch die Berück­sich­tigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird, und andererseits, dass für einen identischen Zweck Doppel­leis­tungen erbracht werden.

Umweltprämie dient der Verschrottung alter und dem Absatz neuer Perso­nen­kraftwagen

Die Umweltprämie diene völlig anderen Zwecken als die existenz­si­chernden Leistungen nach dem SGB II, nämlich der Verschrottung alter und dem Absatz neuer Perso­nen­kraftwagen, um durch den Austausch emissi­ons­trächtiger Altfahrzeuge einen Beitrag zur Schad­s­toffre­du­zierung in der Luft zu leisten bei gleichzeitiger Stärkung der Nachfrage. Zur Auszahlung kommt es zudem erst, wenn ein Verwer­tungs­nachweis ausgestellt wurde sowie die Außer­be­trie­b­s­etzung des Altfahrzeugs und die Neuzulassung auf den Antragsteller nachgewiesen ist. Allein aus der Zweckbestimmung ergibt sich, dass eine bedarfs­min­dernde Anrechnung der Umweltprämie als Einkommen nicht beabsichtigt war. Allerdings gibt es auch eine Einschränkung: der Senat geht davon aus, dass das mit Hilfe der Umweltprämie erworbene Neufahrzeug als zu verwertendes Vermögen nur dann nicht zu berücksichtigen ist, wenn der Wert eines angemessenen Fahrzeugs i.S.d. § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II (= 7.500,00 EUR) und zusätzlich der maßgebliche Vermö­gens­frei­betrag nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II (individuell unterschiedlich: 150,00 EUR pro Lebensjahr mindestens 3100,00 EUR) nicht überschritten wird. Das war hier nicht der Fall.

Bundes­so­zi­al­gericht hat zu der Frage noch keine Entscheidung getroffen

Damit hat erstmals einer der drei, für Hartz IV zuständigen Senate des Sächsischen Landes­so­zi­al­ge­richts zur Frage der Anrechnung bzw. Nichtanrechnung der Umweltprämie beim Bezug von SBG II-Leistungen entschieden. Diese Entscheidung deckt sich im Wesentlichen mit den Entscheidungen einer Reihe anderer Landes­so­zi­al­ge­richte. Eine Entscheidung des Bundes­so­zi­al­ge­richts zu dieser Frage liegt noch nicht vor.

Quelle: ra-online, Sächsisches Landessozialgericht

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