Sozialgericht Stuttgart Urteil17.04.2012
Atypische Leukämie: Dauerhafte Erwerbsminderungsrente möglichDauerrente bei schwerwiegenden Erkrankungen ausnahmsweise gerechtfertigt
Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ist dann nicht befristet sondern auf Dauer zu gewähren, wenn es nach Ausschöpfung aller Behandlungsmethoden unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Dies entschied das Sozialgericht Stuttgart.
Nach dem Gesetz werden Erwerbsminderungsrenten grundsätzlich als Zeitrente gewährt. Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Befristung der Erwerbsminderungsrente kommt nur in Betracht, wenn es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung behoben werden kann. Ein schwerwiegender medizinischer Grund, der gegen eine rentenrechtlich relevante Besserungsaussicht spricht, liegt vor, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und eine Besserung der geminderten Erwerbsfähigkeit unwahrscheinlich ist.
Keine Bestimmung über weitere therapeutische Vorgehensweise
Diese Voraussetzungen sah das Sozialgericht Stuttgart im vorliegenden Fall als erfüllt an. Die Klägerin leide an einer atypischen Leukämie großer granulärer Lymphozyten mit T-Zell-Phänotyp, die zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung im Rahmen einer Studie des Universitätsklinikums Ulm bereits zweimal mit Methotrexat behandelt worden sei, wobei die Therapie jeweils wegen schwerwiegender Nebenwirkungen (überregelstarke und verlängerte Monatsblutungen, schwerer Mangel an Blutplättchen) habe ausgesetzt bzw. abgebrochen werden müssen und nicht festgestanden habe, ob und in welcher Form mit welchem Medikament ein erneuter Therapieversuch bei der Klägerin unternommen werden könne, zumal die Leukämieerkrankung im Blutbild weiterhin nachweisbar gewesen sei. Auch wenn das Gesetz im Regelfall von der Gewährung einer Zeitrente ausgehe, sei die Gewährung einer Dauerrente bei Versicherten, die sich aufgrund schwerstwiegender Erkrankungen hochriskanten Behandlungsversuchen aussetzten, deren Erfolgsaussichten bisher wissenschaftlich nicht dokumentiert seien, ausnahmsweise gerechtfertigt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.08.2012
Quelle: Sozialgericht Stuttgart/ra-online