21.11.2024
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Sozialgericht Stuttgart Gerichtsbescheid06.06.2019

Anspruch auf Koste­n­er­stattung für kiefer­ortho­pädische Behandlung besteht nur in medizinisch begründeten FällenZahnfehl­stellung muss Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigen

Versicherte der Gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung haben Anspruch auf kiefer­ortho­pädische Behandlung nur in medizinisch begründeten Indika­ti­o­ns­gruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehl­stellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart hervor.

Der 1993 geborene Kläger des zugrunde liegenden Falls lies in der Zeit von März 2004 bis März 2013 eine kiefer­or­tho­pä­dische Behandlung in Höhe von insgesamt 7.523,62 Euro durchführen. Nachdem er bzw. seine gesetzlichen Vertreter die Rechnungen zunächst immer selbst beglichen hatten, beantragte der Kläger bei der beklagten Kranken­ver­si­cherung am 20. März 2014 erstmals die Erstattung dieser Kosten. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 2. April 2014 eine Kostenübernahme abgelehnt hatte, beantragte der Kläger am 24. März 2015 erneut die Kostenübernahme bzw. eine Überprüfung des Bescheides vom 2. April 2014 nach § 44 Zehntes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB X).

Anspruch auf Koste­n­er­stattung besteht nur bei medizinisch begründeten Kiefer- oder Zahnfehl­stel­lungen

Die gegen die Ablehnung der Rücknahme des Bescheides vom 2. April 2014 erhobene Klage wies das Sozialgericht Stuttgart nach Vernehmung des behandelnden Kiefer­or­thopäden als sachver­ständigen Zeugen ab. Unabhängig davon, dass der Kläger schon den auf dem Sachleis­tungs­prinzip der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung beruhenden Beschaffungsweg (wonach Kosten für eine selbst­be­schaffte Leistung grundsätzlich nur dann übernommen werden könnten, wenn diese Leistung vor der Behandlung bei der zuständigen Krankenkasse beantragt worden seien) nicht eingehalten habe, bestehe auch ansonsten kein Anspruch auf die durchgeführte kiefer­or­tho­pä­dische Behandlung. Versicherte hätten Anspruch auf kiefer­or­tho­pä­dische Versorgung in medizinisch begründeten Indika­ti­o­ns­gruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehl­stellung vorliege, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtige oder zu beeinträchtigen drohe (§ 29 Abs. 1 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bestimme in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indika­ti­o­ns­gruppen, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen (§°29 Abs. 4 SGB V). Zur vertrags­zahn­ärzt­lichen Versorgung gehöre nach den "Richtlinien des Bundes­aus­schusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kiefer­or­tho­pä­dische Behandlung" (KFO-Richtlinie) die gesamte kiefer­or­tho­pä­dische Behandlung, wenn bei ihrem Beginn ein Behand­lungs­bedarf anhand der befundbezogenen kiefer­or­tho­pä­dischen Indika­ti­o­ns­gruppen (KIG) - Anlage 1 zu den Richtlinien - festgestellt werde. Eine Einstufung mindestens in den Behand­lungs­be­da­rfsgrad 3 der Indika­ti­o­ns­gruppen sei dafür erforderlich. Nachdem bei dem Kläger zu Beginn der Behandlung lediglich eine Zahnstel­lungs­a­n­omalie der KIG 2 bestanden habe, seien die Anspruchs­vor­aus­set­zungen i.S.d. § 29 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SGB V nicht erfüllt. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass nicht alles, was medizinisch notwendig sei, der Leistungs­pflicht der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung unterfalle. Die Aufzählung in § 29°Abs. 4 SGB V i.V.m. der KFO-Richtlinien sei abschließend. Eine erweiternde Auslegung entspreche nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97).

Quelle: Sozialgericht Stuttgart/ra-online (pm/kg)

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