23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.
ergänzende Informationen

Sozialgericht Speyer Urteil18.05.2004

Gesetzliche Unfall­ver­si­cherung muss für Unfall eines ehrenamtlichen Helfers im Ausland zahlenDeutsche gesetzliche Unfall­ver­si­cherung gilt auch bei "Entsendung" ins Ausland

Ein Busfahrer, der für den Verein "Kinderhilfe Shitkowitschi - Leben nach Tschernobyl e.V." Kinder und Eltern aus Weißrussland in die Pfalz und anschließend wieder zurück in die Heimat fährt, genießt auch dann den Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung in Deutschland, wenn er im Ausland (hier bei Minsk in Weißrussland) verunglückt.

Die bereits am 18. Mai 2004 vom Sozialgericht Speyer verkündete Entscheidung (Az. S 1 U 341/03) ist nunmehr rechtskräftig geworden, nachdem sowohl das Berufungs­ver­fahren vor dem Landes­so­zi­al­gericht (Az. L 2 U 237/04) als auch das Beschwer­de­ver­fahren gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem Bundes­so­zi­al­gericht in Kassel (Az. B 2 U 215/07 B) abgeschlossen sind.

Sachverhalt

Der 37 Jahre alte Kläger war bis zu seinem Unfall, um dessen Folgen die Beteiligten stritten, hauptberuflich Busfahrer im Linienverkehr eines Regio­nal­bus­un­ter­nehmens. In seiner Freizeit bzw. seinem Urlaub war er außerdem als Busfahrer für den Verein "Kinderhilfe Shitkowitschi - Leben nach Tschernobyl e.V." tätig, der seit mehreren Jahren Erholungs­auf­enthalte für von der Reaktor­ka­ta­s­trophe geschädigte weißrussische Kinder und deren Eltern in der Pfalz organisiert.

Busunglück in Minsk

Am 15. September 2002 verunglückte der vereinseigene Bus auf der Rückfahrt in die Pfalz bei Minsk, als der Busfahrer, ein Kollege des Klägers (der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Beifahrer) infolge einer Unauf­merk­samkeit einen langsam vorausfahrenden, evtl. stehenden Lkw übersah und auf diesen auffuhr. Der Kläger wurde eingeklemmt und erlitt schwerste Verletzungen mit bleibenden Folgen (u.a. Amputation des linken Unterschenkels und Versteifungen). Er wurde sowohl in weißrussischen Krankenhäusern als auch in Deutschland lange stationär behandelt.

Berufs­ge­nos­sen­schaft: Unfall im Ausland ist nicht versichert

Die für den Verein zuständige Berufsgenossenschaft lehnte es ab, die gesund­heit­lichen Folgen des Unfalles und eine Verletztenrente anzuerkennen, weil sich der Unfall im Ausland ereignet habe.

Richter: Unfall­ver­si­che­rungs­schutz endet nicht an der Grenze

Die Speyerer Richter haben dem Kläger Recht gegeben und entschieden, dass der gesetzliche Unfall­ver­si­che­rungs­schutz auch dessen Fahrten außerhalb Deutschlands umfasst und nicht an der Grenze endet. Nur weil sich der Kläger vorübergehend ins Ausland begeben habe und dort mit dem Bus gefahren sei, habe er seine Beschäftigung im Geltungsbereich des Gesetzes, also in Deutschland, nicht verloren.

Bei Entsendung besteht auch im Ausland Versi­che­rungs­schutz

Zwar gelten die in inländischen Unfall­ver­si­che­rungs­vor­schriften grundsätzlich nur für Personen, die in Deutschland beschäftigt sind. Arbeiten Arbeitnehmer aber im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses im Ausland (sog. Entsendung), besteht auch dafür Versi­che­rungs­schutz, wenn die Arbeit infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Hat also der Arbeitgeber seinen Sitz im Inland und ist sein Arbeitnehmer gehalten, immer wieder an den Betriebssitz zurückzukehren, müssen auch die Unfälle im Ausland von der deutschen Berufs­ge­nos­sen­schaft entschädigt werden.

Kläger war für deutschen Verein tätig und erhielt seine Anweisungen aus Deutschland

Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalles für einen Verein tätig, der seinen Sitz in Deutschland hat und der seine Tätigkeit auch im Wesentlichen hier entfaltet. Sinn und Zweck der von diesem Verein gewährten Hilfen ist es, strah­len­ge­schä­digten Kindern die in Deutschland vorhandenen, insbesondere medizinischen und kurativen Möglichkeiten zugute kommen zu lassen. Hierfür waren aber die Überfüh­rungs­fahrten zwischen der Pfalz und Weißrussland zwingend notwendig, die im Übrigen auch über deutsches Gebiet sowie über die Gebiete anderer Länder als Weißrussland führten. Außerdem erhielt der Kläger seine Weisungen auch nicht etwa aus Weißrussland, sondern ausschließlich aus Deutschland.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Sozialgerichts Speyer

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil7718

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI