18.10.2024
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Dokument-Nr. 28187

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Sozialgericht Karlsruhe Urteil28.05.2019

Anerkennung der Schwer­behinderten­eigenschaft und Zuerkennung des Merkzeichens "G" bei beidseitigem BeinlymphödemGrad der Behinderung bei Lymphödemen beträgt bei erheblicher Beein­träch­tigung je nach Ausmaß 50-70

Das Sozialgericht Karlsruhe hat entschieden, dass ein beidseitiges Beinlymphödem, das zu einer Einschränkung der Höchst­geh­leistung von nur noch 100 Metern führt, die Anerkennung der Schwer­behinderten­eigenschaft und die Zuerkennung des Merkzeichen "G" (erhebliche Beein­träch­tigung der Bewegungs­fä­higkeit im Straßenverkehr) rechtfertigen kann.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls begehrte die Anerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 sowie die Feststellung der gesund­heit­lichen Voraussetzungen des Nachteils­aus­gleichs (Merkzeichen) "G". Sie leide unter einem beidseitigen Bein- und Armlymphödem sowie unter einer seelischen Störung mit chronischem Schmerzsyndrom und unter Fibromyalgie. Insgesamt habe der Beklagte bisher einen GdB von 40 anerkannt. Dies sei jedoch zu niedrig. Sie befinde sich in regelmäßiger schmerz­the­ra­peu­tischer und psychiatrischer Behandlung. Wegen des Lymphödems müsse sie zwei Mal pro Woche physio­the­ra­peu­tische Maßnahmen in Anspruch nehmen. Außerdem sei die Mobilität eingeschränkt. Sie brauche für 100 Meter ca. 30 Minuten.

Adipositas und Lymphödeme in den Beinen führen zu erheblichen Beein­träch­ti­gungen des Gehvermögens

Das Gericht hat von Amts wegen ein algesio­lo­gisches Gutachten in Auftrag gegeben. Demnach sei die Klägerin durch die Adipositas und die Lymphödeme in den Beinen erheblich im Gehvermögen beeinträchtigt. Die Gehstrecke betrage ohne Hilfe nur wenige Meter, mit Unter­a­rm­geh­stützen ca. 100 Meter.

GdB ist aufgrund Einschränkung der Höchst­geh­leistung von nur 100 Metern mit 50 zu bewerten

Die Klage hatte vor dem Sozialgericht Karlsruhe letztlich Erfolg. Maßgebliche Rechts­grundlagen für die Feststellung und Bewertung des GdB ist § 152 Abs. 1 SGB IX, wonach die für die Durchführung des Bundes­ver­sor­gungs­ge­setzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB feststellen. Die Feststellung des GdB richtet sich nach den Bewer­tungs­maß­stäben der Anlage zu § 2 der Versor­gungs­me­di­zin­ver­ordnung (VersMedV). Nach Teil B Ziff. 9.2.3 VersMedV beträgt der GdB bei Lymphödemen bei erheblicher Beein­träch­tigung der Gebrauchs­fä­higkeit der betroffenen Gliedmaße je nach Ausmaß 50-70. Von einer erheblichen Beein­träch­tigung der Gebrauchs­fä­higkeit in diesem Sinne ist nach Ansicht der erkennenden Kammer auszugehen, wenn die Lymphödeme an den Beinen - wie in dem vorliegenden Fall - zu einer Einschränkung der Höchst­geh­leistung von nur noch 100 Metern führen. Der GdB war daher mit 50 zu bewerten.

Voraussetzungen für Anerkennung des Merkzeichens "G" erfüllt

Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung des Merkzeichens "G" lagen vor. Gemäß § 228 Abs. 1 S. 1 SGB IX haben schwer­be­hinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungs­fä­higkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. In seiner Bewegungs­fä­higkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurück zu legen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 229 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Teil D Nr. 1 VersMedV gibt an, welche Funkti­o­ns­s­tö­rungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um annehmen zu können, dass ein behinderter Mensch infolge einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungs­fä­higkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Demnach sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beein­träch­tigung der Bewegungs­fä­higkeit im Straßenverkehr infolge einer behin­de­rungs­be­dingten Einschränkung des Gehvermögens unter anderem dann als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funkti­o­ns­s­tö­rungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lenden­wir­belsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Da die Gehfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen aufgrund der Lymphödeme eingeschränkt wurde, die - wie oben dargelegt - mit einem GdB von 50 zu bewerten waren, konnte die Klägerin dem bevorteilten Personenkreis zugeordnet werden.

Quelle: Sozialgericht Karlsruhe/ra-online (pm/kg)

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