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Sozialgericht Heilbronn Urteil23.06.2016

Sozialgericht legt Heilbronner Jobcenter insgesamt 2.000 Euro Verschul­den­s­kosten aufProzessführung des Jobcenters missbräuchlich und im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG

Das Sozialgericht hat das Jobcenter Heilbronn zur Zahlung von insgesamt 2.000 Euro Verschul­den­s­kosten verpflichtet.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Einkommen der 32-jährigen Klägerin und ihres 37-jährigen Partners reichte nicht aus, um den Grund­si­che­rungs­bedarf für sich und ihre beiden sechs und acht Jahre alten Kinder zu decken. Obwohl die Eltern Einkom­mens­nachweise vorlegten, bewilligte das Jobcenter Stadt Heilbronn Grund­si­che­rungs­leis­tungen nach dem SGB II ("Hartz IV") nur vorläufig "bis zur Vorlage des tatsächlichen Einkommens". Mit anwaltlichem Beistand erhob die Klägerin zunächst Widerspruch und machte geltend, dass das Jobcenter ihnen aufgrund der bereits eingereichten Einkom­mens­nachweise nicht lediglich vorläufig, sondern endgültig aufstockendes "Hartz IV" hätte gewähren müssen. Das Jobcenter bewilligte aufgrund des Widerspruchs und ihrer Familie endgültige SGB II-Leistungen, weigerte sich aber, die Anwaltskosten zu zahlen. Denn das Vorgehen des Jobcenters habe "den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen".

Jobcenter besteht auf gerichtliche Entscheidung

Im nachfolgenden Klageverfahren lehnte es das Jobcenter gegenüber dem Sozialgericht Heilbronn ab, zu erläutern, weshalb es ungeachtet der Vorlage von Einkom­mens­nach­weisen zunächst nur vorläufig Leistungen bewilligt hatte, und verwies darauf, dass diesbezügliche gerichtliche Fragen "nicht entschei­dungs­er­heblich" seien. Zudem bestand es - trotz gerichtlichen Hinweises, den Klageanspruch anzuerkennen - auf einer gerichtlichen Entscheidung nach mündlicher Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter.

Auferlegung von Verschul­den­s­kosten in Höhe von 1.000 Euro angemessen

Das Sozialgericht Heilbronn verurteilte das Jobcenter dazu, der Klägerin die im Wider­spruchs­ver­fahren entstandene Anwaltskosten zu erstatten, weil ihr Widerspruch erfolgreich war. Das Jobcenter habe darüber hinaus aber nicht nur die weiteren Anwaltskosten des Klageverfahrens, sondern auch sogenannte Verschul­den­s­kosten in Höhe von 1.000 Euro zu zahlen. Die Prozessführung des Jobcenters sei missbräuchlich und stehe im Widerspruch zur langjährigen Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts. Ein verständiger Prozess­be­tei­ligter hätte die Aussichts­lo­sigkeit der weiteren Rechts­ver­tei­digung erkannt und den Klageanspruch anerkannt. Gleichwohl habe der Vertreter des Jobcenters ohne neue Argumente auf einem Gerichtsurteil beharrt. Unter Berück­sich­tigung der richterlichen Arbeitszeit für die Abfassung und Korrektur des Urteils zuzüglich weiterer Gerichtskosten für Schreibdienst und Zustellung sei es daher angemessen, dem Jobcenter Verschul­den­s­kosten in Höhe von 1.000 Euro aufzuerlegen.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 40 SGB II [Anwendung von Verfah­rens­vor­schriften]:

[...] Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über [...] die vorläufige Entscheidung (§ 328). [...]

§ 328 SGB III [Vorläufige Entscheidung]:

(1) 1 Über die Erbringung von Geldleistungen kann vorläufig entschieden werden, wenn [...] zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs [...] auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrschein­lichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. 2 Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. [...]

§ 63 SGB X [Erstattung von Kosten im Vorverfahren]:

(1) 1 Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweck­ent­spre­chenden Rechts­ver­folgung oder Rechts­ver­tei­digung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. [...]

§ 192 Sozial­ge­richts­gesetz [Kosten­ent­scheidung bei Verschulden]

(1) 1 Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten [...] die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass [...] der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuch­lichkeit der Rechts­ver­folgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kosten­au­fer­legung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.

Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online

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