21.11.2024
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Sozialgericht Gießen Urteil17.11.2013

Fehler im Sozial­versicherungs­ausweis: Frau muss mit zwei Geburtsdaten lebenSozialgericht Gießen weist Klage auf Änderung des Geburtsdatums ab

Das Sozialgericht Gießen hat entschieden, dass eine Versicherte keinen Anspruch auf Änderung ihrer Sozial­versicherungs­nummer hat, wenn das Geburtsdatum im Sozial­versicherungs­ausweis ein anderes Geburtsjahr ausweist als ihr Personalausweis.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im Personalausweis der Klägerin türkischer Herkunft, die seit 2006 die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzt, steht als Geburtsdatum 1978, nach ihrem Sozia­l­ver­si­che­rungs­ausweis ist die Gießenerin aber 1981 geboren. Damit wollte die Frau jedoch nicht länger leben. Sie werde ständig von Ärzten, Arbeitgebern, Krankenkassen und ähnlichen Einrichtungen auf die unter­schied­lichen Geburtsdaten angesprochen und dies sei überaus lästig.

Klägerin beantragt Änderung der Versi­che­rungs­nummer

Bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen beantragte sie daher eine Änderung ihrer Versi­che­rungs­nummer, in der das in ihren Augen falsche Geburtsdatum enthalten ist. Zu der Eintragung dort und der Ausstellung des Sozia­l­ver­si­che­rungs­aus­weises war es im April 2000 gekommen, weil bei der Einreise in die Bundesrepublik der türkische Pass das Geburtsdatum 1981 aufwies.

Türkisches Zivilgericht stellt in rechtskräftigem Beschluss Fehler­haf­tigkeit des Geburtsdatums "1981" fest

Dann stellte ein türkisches Zivilgericht 2004 in einem rechtskräftigen Beschluss fest, das Geburtsdatum „1981“ sei falsch gewesen sei und müsse in „1978“ geändert werden.

Erste Angabe des Geburtsdatums gegenüber dem Sozia­l­leis­tungs­träger ist maßgeblich

Die deutschen Behörden akzeptierten diese Entscheidung, nicht aber die Deutsche Renten­ver­si­cherung. Sie bezog sich auf eine 1998 in Kraft getretene Regelung, wonach dann, wenn Rechte und Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, das Geburtsdatum maßgebend ist, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozia­l­leis­tungs­träger ergibt. Bei der Ausstellung des Sozia­l­ver­si­che­rungs­aus­weises im April 2000 habe die Versicherte aber noch das zu diesem Zeitpunkt in ihrem Pass eingetragene Geburtsdatum angegeben. Dieses Datum sei somit maßgebend. Zwar sehe das Gesetz eine Ausnahme hiervon dann vor, wenn ein Schreibfehler vorliege oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Einen solchen Beweis habe die Versicherte aber nicht erbracht.

SG verneint verfas­sungs­recht­lichen oder europa­recht­lichen Bedenken gegen Regelung der Renten­ver­si­cherung

Das Sozialgericht Gießen bestätigte nun die Entscheidung der Renten­ver­si­cherung. Mit der gesetzlichen Regelung habe der Gesetzgeber die Anknüpfung an das „wahre“ Geburtsdatum aufgegeben und - zur Vermeidung einer dafür besonders verwal­tungs­in­tensiven Prüfung und um missbräuch­licher Inanspruchnahme von Leistungen vorzubeugen - das für die Sozia­l­ver­si­cherung geltende Geburtsdatum eigenständig definiert. Dagegen bestünden auch keine verfas­sungs­recht­lichen oder europa­recht­lichen Bedenken. Die Vorschrift sei eindeutig, die Klägerin müsse daher weiter mit zwei Geburtsdaten leben.

Hinweis zur Rechtslage

§ 33 a SGB I Altersabhängige Rechte und Pflichten

Erläuterungen

(1) Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozia­l­leis­tungs­träger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt.

(2) Von einem nach Absatz 1 maßgebenden Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass

1. ein Schreibfehler vorliegt oder

2. sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versi­che­rungs­nummer oder eines anderen in den Sozia­l­leis­tungs­be­reichen dieses Gesetzbuchs verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.

Quelle: Sozialgericht Gießen/ra-online

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