23.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.
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Sozialgericht Fulda Urteil09.10.2012

Ehegatte eines Landwirts erhält Verletztenrente bereits bei einer MdE von 20 %§ 80a Abs. 1 SGB VII muss verfas­sungs­konform ausgelegt werden

Aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen ist entgegen des Geset­zes­wortlauts einem Ehegatten einer landwirt­schaft­lichen Unternehmerin auch dann Verletztenrente aus der Gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung zu zahlen, wenn die Unfallfolgen eine MdE von (nur) 20 % bedingen. Dies hat das Sozialgericht Fulda entschieden.

Der Anspruch auf Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalls setzt nach der allgemeinen Regel des § 56 Abs. 1 Sozial­ge­setzbuch – Siebtes Buch – (SGB VII) voraus, dass die Unfallfolgen zu einer Minderung der Erwer­bs­fä­higkeit (MdE) von 20 % oder mehr führen. Ab dem Jahr 2008 hat der Gesetzgeber u.a. für Ehegatten landwirt­schaftliche Unternehmer die Anspruchs­vor­aus­setzung verschärft: Für diese Versicherten soll der Rentenanspruch erst ab einer MdE von 30 % entstehen (§ 80 a Abs. 1 SGB VII).

Kreis­sä­gen­ver­letzung an der Hand

Der Kläger als Ehemann einer landwirt­schaft­lichen Unternehmerin hatte während versicherter Tätigkeit eine Kreis­sä­gen­ver­letzung der Hand erlitten, die „nur“ mit einer MdE von 20 % zu bewerten war. Daher hatte die beklagte Berufs­ge­nos­sen­schaft die Zahlung einer Verletztenrente unter Berufung auf die Sonderreglung für landwirt­schaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten abgelehnt.

Sozialgericht Fulda spricht Verletztenrente zu

Das Sozialgericht Fulda hat dem Kläger Recht gegeben. Zwar stehe dem Anspruch der Wortlaut des Gesetzes entgegen; doch verstoße die Sonderregelung jedenfalls betreffend die Ehegatten landwirt­schaft­licher Unternehmer gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG. Die Gründe, die der Gesetzgeber zur Rechtfertigung der Ungleich­be­handlung von Ehegatten landwirt­schaft­licher Unternehmer gegenüber fast allen anderen Personen, die kraft Gesetzes in der Gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung versichert seien, benannt habe, seien gegenüber dem Maßstab der Verfassung nicht ausreichend. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein unfall­ver­letzter Ehegatte wie der Kläger seinen Lebensunterhalt (auch) außerhalb der Landwirtschaft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verdiene.

§ 80 a Abs. 1 SGB VII muss verfas­sungs­konform ausgelegt werden

Insofern könne und müsse § 80 a Abs. 1 SGB VII verfas­sungs­konform so ausgelegt werden, dass die Regelung nicht auf den Kläger anwendbar sei. Eine Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht, das allein die Verfas­sungs­wid­rigkeit einer Norm feststellen darf, sei daher nicht notwendig.

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Auszug aus den maßgeblichen, gesetzlichen Vorschriften

Erläuterungen

§ 56 SGB VII

Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs

(1) Versicherte, deren Erwer­bs­fä­higkeit infolge eines Versi­che­rungsfalls über die 26. Woche nach dem Versi­che­rungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente.

§ 80 a SGB VII

Voraussetzungen für den Rentenanspruch, Wartezeit

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwer­bs­fä­higkeit infolge eines Versi­che­rungsfalls über die 26. Woche nach dem Versi­che­rungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. (…)

§ 2 SGB VII

Versicherung kraft Gesetzes

(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,

...

5. Personen, die

a) Unternehmer eines landwirt­schaft­lichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,

b) im landwirt­schaft­lichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familien­an­ge­hörige sind, ...

Quelle: ra-online, Sozialgericht Fulda (pm/pt)

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