Dokument-Nr. 14913
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Sozialgericht Fulda Urteil09.10.2012
Ehegatte eines Landwirts erhält Verletztenrente bereits bei einer MdE von 20 %§ 80a Abs. 1 SGB VII muss verfassungskonform ausgelegt werden
Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist entgegen des Gesetzeswortlauts einem Ehegatten einer landwirtschaftlichen Unternehmerin auch dann Verletztenrente aus der Gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen, wenn die Unfallfolgen eine MdE von (nur) 20 % bedingen. Dies hat das Sozialgericht Fulda entschieden.
Der Anspruch auf Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalls setzt nach der allgemeinen Regel des § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Siebtes Buch – (SGB VII) voraus, dass die Unfallfolgen zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % oder mehr führen. Ab dem Jahr 2008 hat der Gesetzgeber u.a. für Ehegatten landwirtschaftliche Unternehmer die Anspruchsvoraussetzung verschärft: Für diese Versicherten soll der Rentenanspruch erst ab einer MdE von 30 % entstehen (§ 80 a Abs. 1 SGB VII).
Kreissägenverletzung an der Hand
Der Kläger als Ehemann einer landwirtschaftlichen Unternehmerin hatte während versicherter Tätigkeit eine Kreissägenverletzung der Hand erlitten, die „nur“ mit einer MdE von 20 % zu bewerten war. Daher hatte die beklagte Berufsgenossenschaft die Zahlung einer Verletztenrente unter Berufung auf die Sonderreglung für landwirtschaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten abgelehnt.
Sozialgericht Fulda spricht Verletztenrente zu
Das Sozialgericht Fulda hat dem Kläger Recht gegeben. Zwar stehe dem Anspruch der Wortlaut des Gesetzes entgegen; doch verstoße die Sonderregelung jedenfalls betreffend die Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG. Die Gründe, die der Gesetzgeber zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Ehegatten landwirtschaftlicher Unternehmer gegenüber fast allen anderen Personen, die kraft Gesetzes in der Gesetzlichen Unfallversicherung versichert seien, benannt habe, seien gegenüber dem Maßstab der Verfassung nicht ausreichend. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein unfallverletzter Ehegatte wie der Kläger seinen Lebensunterhalt (auch) außerhalb der Landwirtschaft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verdiene.
§ 80 a Abs. 1 SGB VII muss verfassungskonform ausgelegt werden
Insofern könne und müsse § 80 a Abs. 1 SGB VII verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die Regelung nicht auf den Kläger anwendbar sei. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht, das allein die Verfassungswidrigkeit einer Norm feststellen darf, sei daher nicht notwendig.
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Auszug aus den maßgeblichen, gesetzlichen Vorschriften
Erläuterungen
§ 56 SGB VII
Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs
(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente.
§ 80 a SGB VII
Voraussetzungen für den Rentenanspruch, Wartezeit
(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. (…)
§ 2 SGB VII
Versicherung kraft Gesetzes
(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,
...
5. Personen, die
a) Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b) im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind, ...
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.12.2012
Quelle: ra-online, Sozialgericht Fulda (pm/pt)
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