Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Leistungsempfänger von Hartz-IV beantragte beim Jobcenter eine finanzielle Förderung zur Gründung eines pornografischen Erotik-Senders im Internet. Das Konzept sah vor, gegen Entgelt Erotik- und Pornografiedarbietungen zugänglich zu machen. Das Jobcenter lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Geschäftsidee nicht wirtschaftlich tragfähig sei. Nach dem der Antragssteller gegen den ablehnenden Verwaltungsakt erfolglos Widerspruch eingelegt hatte, erhob er Klage vor dem Sozialgericht.
Das Sozialgericht Darmstadt entschied gegen den Leistungsempfänger. Ihm habe kein Anspruch auf Förderung seines Projektes zugestanden, da es gegen die guten Sitten verstoßen habe. Es sei damit nicht auf die Frage der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Gründungsvorhabens angekommen.
Bei jeder behördlichen Entscheidung sei die Grenze der Sittenwidrigkeit zu beachten, so das Sozialgericht weiter. Denn verstößt ein Verwaltungsakt gegen die guten Sitten, so sei er nichtig und somit unwirksam (vgl. § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB X). Ein Verwaltungsakt verstoße aber nicht nur gegen die guten Sitten, wenn er etwas Sittenwidriges anordne, sondern auch dann, wenn er etwas erlaube, was wegen Verstoßes gegen die Sittenwidrigkeit nicht erlaubnisfähig sei. Dies müsse ebenfalls für die Fälle gelten, in denen ein sittenwidriges Geschehen durch öffentliche Mittel überhaupt erst ermöglicht werden solle.
Ein Verwaltungsakt verstoße dann gegen die guten Sitten, wenn er das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.1994 - 12 RK 82/92). Nach Auffassung des Sozialgerichts liege das bei dem Vorhaben des Leistungsempfängers vor. Denn die Herstellung und Produktion von Erotik- und Pornografiedarbietungen sowie deren Vermarktung werden weiterhin als abstoßend, anrüchig und als etwas sittlich-moralisch Zweifelhaftes angesehen. Diese Beurteilung beruhe darauf, dass die Vornahme sexueller Handlungen zum Intimbereich zwischen Mann und Frau gehöre. Diese Intimsphäre müsse vor Einblicken Dritter geschützt werden.
Nicht maßgeblich sei es nach Auffassung des Sozialgerichts gewesen, dass die Erotik- und Pornografiedarsteller freiwillig tätig waren und sie selbst ihre Tätigkeit nicht als entwürdigend ansahen. Darüber hinaus sei es unbeachtlich gewesen, dass es im Internet eine Vielzahl von Pornografieangeboten gibt. Denn derartige Darbietungen werden weiterhin als sittlich nicht einwandfrei bewertet.
Weiterhin führte das Sozialgericht aus, dass es unerheblich sei, dass von Seiten der Ordnungsbehörden noch keine Verbote gegen die Verbreitung von Pornografieangeboten im Internet ausgesprochen wurden. Denn es sei vorliegend nicht um die Erteilung einer Erlaubnis für das beabsichtigte Gründungsvorhaben gegangen, sondern um dessen finanzielle Förderung durch öffentliche Mittel. Nur weil ein bestimmtes Geschehen nicht verboten werde, sei daraus nicht der Schluss zu ziehen, dass dieses Geschehen nicht mehr als sittenwidrig bewertet werde.
Es habe hier offen bleiben können, ob das Vorhaben des Leistungsempfängers gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. GG) verstoße, so das Sozialgericht schließlich. Zwar hätte man dies annehmen können, da die Darsteller als bloße Anregungsobjekte zur Befriedigung sexueller Interessen angeboten werden (vgl. zur Sittenwidrigkeit von Peep-Shows: BVerwG, Urt. v. 15.12.1981 - 1 C 232/79). Es sei aber darauf nicht mehr angekommen, da solche Darbietungen zumindest gegen die guten Sitten verstoßen.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt wurde Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt (Az. L 9 AS 852/12).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.01.2013
Quelle: Sozialgericht Darmstadt, ra-online (vt/rb)