21.11.2024
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Sozialgericht Berlin Urteil13.09.2017

SG Berlin zur Rechtmäßigkeit von Kürzungen ärztlicher Honorare bei Beschäftigung von Weiterbildungs­assistentenErst ab Praxisumfang von 250 % über Durchschnitt der Fachgruppe liegt übergroßer und Honora­r­kür­zungen recht­fer­ti­gender Praxisumfang vor

Die Beschäftigung eines Weiterbildungs­assistenten (also eines bereits approbierten Arztes, der zur Erlangung der Facharzt-Anerkennung in einer Facharztpraxis ausgebildet wird) darf vom ausbildenden Arzt nicht zur Vergrößerung seiner Kassenpraxis oder zur Aufrecht­er­haltung eines übergroßen Praxisumfangs genutzt werden. Ein derartiger Missbrauch von Weiterbildungs­assistenten als billige Arbeitskräfte berechtigt die Kassenärztliche Vereinigung zu Honora­r­kür­zungen. Allerdings kann nicht automatisch von einem unzulässigen Praxisumfang ausgegangen werden, sobald die Zahl der behandelten Patienten das Doppelte des durch­schnittlich Üblichen beträgt. Erst ab einem Praxisumfang von 250 % über dem Durchschnitt der Fachgruppe liegt ein übergroßer - und damit eine Honorarkürzung recht­fer­ti­gender - Praxisumfang vor. Selbst dann muss die Kassenärztliche Vereinigung zusätzlich noch beweisen, dass der über­durch­schnittliche Praxisumfang auch tatsächlich auf dem missbräuch­lichen Einsatz von Assistenten beruht. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Berlin hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist Fachärztin für Allge­mein­medizin und seit 2007 Vertragsärztin in Berlin. Seit 2012 beschäftigte sie eine Weiter­bil­dung­s­as­sis­tentin. Für das IV. Quartal 2012 und das I. Quartal 2013 kürzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung Berlin das Honorar der Klägerin aufgrund der Beschäftigung der Weiter­bil­dung­s­as­sis­tentin um insgesamt rund 32.000 Euro. Zur Begründung führte sie aus, dass die Fallzahlen der Klägerin 200 % über dem Durchschnitt gelegen haben und die Praxis damit übergroß gewesen sei. Bei einer so überdurch­schnittlich großen Zahl von Patienten habe ein Arzt nicht mehr ausreichend Zeit, seine Weiter­bil­dung­s­as­sis­tenten ordnungsgemäß anzuleiten und zu überwachen.

Ärztin hält Honorarkürzung für ungerecht­fertigt

Die Ärztin erhob Klage gegen die Honorarkürzung. Ihrer Meinung nach ist es nicht zulässig, bei einem Überschreiten der Fallzahl von 200 % des Fachgrup­pen­durch­schnitts automatisch von einer übergroßen Praxis auszugehen. Die Größe ihrer Praxis sei unter anderem durch externe Faktoren wie z. B. den Wegfall der Praxisgebühr beeinflusst worden.

Übergroßer Praxisumfang ist nicht automatisch ab Doppeltem des Fachgrup­pen­durch­schnitts gegeben

Das Sozialgericht Berlin gab der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Nachzahlung des Honorars. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es der Beklagten grundsätzlich nicht verwehrt sei, Honora­r­ab­rech­nungen richtig­zu­stellen, wenn Leistungen in übergroßem Umfang mithilfe eines Weiter­bil­dung­s­as­sis­tenten erbracht wurden. Allerdings sei ein übergroßer Praxisumfang nicht schon automatisch ab dem Doppelten des Fachgrup­pen­durch­schnitts gegeben. Es müsse vielmehr berücksichtigt werden, dass die Gruppe der Hausärzte in Berlin nicht homogen sei. Der Durchschnitt der Fallzahlen bilde nicht den Leistungsumfang einer voll ausgelasteten Hausarztpraxis ab. Wolle man - wie die Beklagte - einen festen Grenzwert für das Vorliegen eines übergroßen Praxisumfangs zugrunde legen, so sei dieser deshalb erst bei 250 % des Durchschnitts anzusetzen.

Kausa­l­zu­sam­menhang zwischen Beschäftigung des Weiter­bil­dung­s­as­sis­tenten und übergroßem Praxisumfang muss nachgewiesen werden

Zudem spiegelten allein die Fallzahlen in den unter­schied­lichen Arztgruppen und angesichts der unter­schied­lichen Thera­pie­an­gebote auch nur unzureichend wider, wieviel Zeit dem weiterbildenden Vertragsarzt tatsächlich für die Weiterbildung verblieb. Deshalb müsse zusätzlich darauf abgestellt werden, ob ein Kausa­l­zu­sam­menhang zwischen der Beschäftigung des Weiter­bil­dung­s­as­sis­tenten und dem übergroßen Praxisumfang bestehe. Hierfür trage die Beklagte die Beweislast.

Kausa­l­zu­sam­menhang zwischen Fallzahlen und Weiter­bil­dung­s­as­sis­tentin nicht ersichtlich

Im vorliegenden Fall habe die Praxis keinen übergroßen Umfang gehabt. Auch ein Kausa­l­zu­sam­menhang zwischen Fallzahlen und Weiter­bil­dung­s­as­sis­tentin sei nicht ersichtlich gewesen. Die Fallzahlen der Klägerin hätten das Zweiein­halbfache des Durchschnitts nicht erreicht. Darüber hinaus sei die Klägerin auch schon vor Einstellung der Weiter­bil­dung­s­as­sis­tentin in der Lage gewesen, eine - nach Auffassung der Beklagten - übergroße Praxis mit hohen Fallzahlen zu führen.

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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