21.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 21387

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Sozialgericht Berlin Beschluss24.07.2015

Kassenpatienten dürfen trotz langer Wartezeiten nur im akuten Notfall auf private Psychotherapie ausweichenKrankenkasse kann Kostenübernahme für Behandlung bei nicht zur vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung zugelassenen Psycho­the­ra­peuten ablehnen

Ein gesetzlich Kranken­ver­si­cherter darf auch im Notfall nur dann eine nicht zur vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung zugelassene Psycho­the­ra­peutin in Anspruch nehmen, wenn er auf eine Akutbehandlung angewiesen und ein zugelassener Therapeut nicht erreichbar ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Berlin hervor.

Kassenpatienten müssen oft mehrere Monate auf eine Psychotherapie warten – zu lange, wenn bei einer schwerwiegenden Erkrankung dringender Behand­lungs­bedarf besteht. Wer in der Not ohne Absprache mit seiner Krankenkasse auf eine private Therapie ausweicht, läuft indes Gefahr, auf seinen Kosten sitzen zu bleiben.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Streitfall benötigte der Antragsteller aus Berlin-Pankow aufgrund einer schwerwiegenden Depression psychiatrische und psycho­the­ra­peu­tische Behandlung. Ohne dies mit seiner gesetzlichen Krankenkasse abzusprechen, begann er im Dezember 2014 eine Verhal­tens­therapie bei einer Psycho­the­ra­peutin, die von der Krankenkasse zur vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung nicht zugelassen war.

Krankenkasse lehnt Kostenübernahme ab

Nachdem seine Krankenkasse eine Kostenübernahme abgelehnt hatte, beantragte er im Juni 2015 beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Kasse zur Kostentragung zu verpflichten.

Grundsätzlich besteht nur Anspruch auf psycho­the­ra­peu­tische Behandlung durch zugelassene Leistungs­er­bringer

Das Sozialgericht Berlin lehnte den Eilantrag ab. Gemäß dem Gesetz (§ 76 Abs. 1 Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch – Gesetzliche Kranken­ver­si­cherung – SGB V) bestehe grundsätzlich nur ein Anspruch auf psycho­the­ra­peu­tische Behandlung durch zugelassene Leistungs­er­bringer. Andere Ärzte dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Psycho­the­ra­peuten komme damit nur dann in Betracht, wenn der Versicherte auf eine Akutbehandlung angewiesen und ein zugelassener Leistungs­er­bringer unter zumutbaren Bedingungen nicht erreichbar sei.

Therapie ist nicht als Akutbehandlung anzusehen

Im vorliegenden Fall bedürfe der Antragsteller zwar dringend einer Behandlung. Es sei jedoch nicht erkennbar, dass die von ihm in Anspruch genommene Therapie eine Akutbehandlung darstelle: Seine Depression bestehe seit 2011, die Behandlung habe jedoch erst im Dezember 2014 begonnen. Der zweite Termin sei erst drei Monate später im März 2015 gewesen. Seitdem finde lediglich eine Sitzung pro Monat statt.

Zeitnahes Vorgespräch für Behandlungen bei besonderer Dringlichkeit grundsätzlich möglich

Auch eine Versor­gungslücke, die unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens ausnahmsweise zur Behandlung durch nicht zugelassene Therapeuten berechtige, liege nicht vor. Aufgrund der Notwendigkeit einer zügigen Behandlung habe die Krankenkasse eine gesteigerte Beratungs­pflicht gehabt. Dementsprechend habe sie dem Antragsteller mehrere Praxen und Termin­ver­mitt­lungs­stellen genannt. Zum einen sei nicht klar, ob der Antragsteller diese Stellen überhaupt kontaktiert habe. Zum anderen habe das Gericht von der Berliner Fortbil­dungs­akademie für Psychotherapie die Auskunft erhalten, dass zwar grundsätzlich eine Wartezeit von drei bis sechs Monaten bestehe, bei besonderer Dringlichkeit aber ein zeitnahes Vorgespräch angeboten werde.

Wartezeit war nicht unzumutbar

Es sei im übrigen angesichts des bisherigen Behand­lungs­verlaufs schon nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller die Wartezeit unzumutbar gewesen sei. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, warum nicht wenigstens zukünftig ein Wechsel der Therapeutin möglich sei. Von einem besonders schützenswerten Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen behandelnder Therapeutin und Antragsteller könne schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil bisher gerade einmal fünf Termine stattgefunden hätten, die Behand­lungsdauer also sehr kurz gewesen sei.

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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