15.11.2024
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Dokument-Nr. 4944

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Beschluss01.10.2007Sozialgericht BerlinS 56 AL 2259/06, S 56 AL 1629/06
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Sozialgericht Berlin Beschluss01.10.2007

Drastische Kürzung der Bezugsdauer von Arbeits­lo­sengeld I ohne Überg­angs­re­gelung verfas­sungsgemäß?Sozialgericht Berlin legt Frage dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht vor

Das Berliner Sozialgericht hat dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht zwei Muster-Fälle zur Überprüfung vorgelegt. Dabei geht es um die Kürzung des Arbeits­lo­sengelds für ältere Arbeitslose. Ein 54jähriger Schlosser aus Berlin bekam zunächst eine Bewilligung für 780 Tage - während einer Krankheit trat ein neues Gesetz in Kraft, woraufhin ihm der Anspruch auf 360 Tage gekürzt wurde. Das Sozialgericht ist der Meinung, diese knappe Übergangsfrist verletzt das Grundrecht auf Eigentum.

Innerhalb der Sozialgerichte ist die Frage umstritten, ob das „Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt“ vom Dezember 2003 in allen Teilen verfas­sungsgemäß ist. Das Gesetz hatte die Höchst-Dauer für Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose nahezu halbiert von 32 Monaten auf 18 Monate. Für die Mehrzahl der übrigen Arbeitslosen wurde die Höchst-Dauer einheitlich auf 12 Monate begrenzt. Die Kürzung betrifft alle Arbeitslosen, die seit dem 1. Februar 2006 einen Antrag auf Arbeits­lo­sengeld bei der Agentur für Arbeit gestellt haben. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in Karlsruhe soll nun eine abschließende Entscheidung zu dem Reformgesetz treffen. Die 56. Kammer des Berliner Sozialgerichts hat dort zwei Muster-Fälle zur Überprüfung vorgelegt.

1. Wegen Krankheit durfte kein ALG I beantragt werden - nach Gesundung gab es nur noch gekürztes ALG I (Az. S 56 AL 1629/06)

Ein 54jähriger Schlosser aus Berlin meldete sich im November 2005 arbeitslos. Da das Reformgesetz noch nicht in Kraft war, bewilligte die Agentur für Arbeit Arbeits­lo­sengeld für insgesamt 780 Tage (26 Monate). Diese Bewilligung wurde jedoch aufgehoben, nachdem die Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Arbeitslose zu diesem Zeitpunkt krank und daher nicht arbeitsfähig war. Als sich der Schlosser am 1. März 2006 erneut arbeitslos meldete, erhielt er nur noch Arbeits­lo­sengeld für 360 Tage (12 Monate). (Aktenzeichen des Sozialgerichts: S 56 AL 1629/06, Aktenzeichen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts: 1 BvL 10/07)

2. Ein Tag entschied über 12 oder 22 Monate Arbeits­lo­sengeld I (Az. S 56 AL 2259/06)

Ein 52jähriger Verkäufer meldete sich genau am 1. Februar 2006 arbeitslos. Ihm wurde Arbeits­lo­sengeld für 360 Tage bewilligt (12 Monate). Hätte sich der Mann einen Tag früher arbeitslos gemeldet, hätte ihm nach bisherigem Recht ein Anspruch auf 660 Tage (22 Monate) zugestanden. (Aktenzeichen des Sozialgerichts: S 56 AL 2259/06, Aktenzeichen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts: 1 BvL 9/07)

Längere Übergangsfrist wäre erforderlich gewesen

Die 56. Kammer des Berliner Sozialgerichts führt zur Begründung aus, dass der Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld durch das Grundrecht auf Eigentum geschützt ist (Artikel 14 Grundgesetz). Die drastische Kürzung der Anspruchsdauer hätte jedenfalls durch eine längere Übergangsfrist abgefedert werden müssen, als sie das Reformgesetz vorgesehen habe. Denkbar wäre beispielsweise gewesen, die Höchst-Dauer des Anspruchs jährlich um einen Monat abzusenken. Ähnliche Staffelungen sind in anderen Bereichen des Sozia­l­ver­si­che­rungs­rechts üblich.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht muss entscheiden

Nur das Bundes­ver­fas­sungs­gericht kann abschließend darüber entscheiden, ob ein Gesetz gegen das Grundgesetz verstößt. Andere Gerichte können ihm Fälle zur Überprüfung vorlegen

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des SG Berlin vom 01.10.2007

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