21.11.2024
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Sozialgericht Berlin Urteil21.06.2019

Erwerbs­minderungs­rente kann bei unzureichender Mitwirkung des Antragstellers versagt werdenBegleiter muss bei psychiatrischer Begutachtung vor der Tür bleiben

Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass der Renten­versicherungs­träger eine Erwerbs­minderungs­rente solange versagen kann, bis der Antragsteller bei der Ermittlung der Leistungs­voraus­setzungen ausreichend mitwirkt. Für eine Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet setzt dies voraus, dass der Antragsteller bereit ist, sich ohne eine Begleitperson untersuchen zu lassen. Vorliegend hatte der Antragsteller darauf bestanden, dass eine Vertrau­ens­person, wohl sein Vater, an der Begutachtung teilnimmt.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der 1990 geborene, im Land Brandenburg wohnende Kläger beantragte im November 2015 bei der beklagten Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg die Gewährung einer Rente wegen Erwer­bs­min­derung. Bereits 2014 war er vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen untersucht worden. Laut des begutachtenden Arztes hatte sich der Kläger teilweise inadäquat verhalten, da der anwesende Vater das Gespräch geführt hatte. Bei einer weiteren Begutachtung durch die Bundesagentur für Arbeit im September 2015 hatte der Kläger in Begleitung des sehr dominant auftretenden Vaters kein Wort geäußert. Angesichts des Verhaltens des Klägers bestand nach Auffassung der Gutachterin allerdings der Verdacht auf eine gravierende Entwick­lungs­störung und eine Lernbehinderung.

Psychiatrische Begutachtung ohne Begleitperson verweigert

Auch bei einer von der Beklagten angeordneten psychiatrischen Begutachtung im Juni 2016 erschien der Kläger in Begleitung eines Mannes, dessen Identität nicht zweifelsfrei festgestellt wurde, bei dem es sich nach Angaben der Sachver­ständigen aber um den Vater gehandelt habe. Da er auf die Teilnahme an der Untersuchung bestanden habe, wurde die Begutachtung nicht durchgeführt.

Rentenantrag wegen fehlender Begutachtung nicht erfolgreich

Mit Versa­gungs­be­scheid vom 11. Oktober 2016 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­scheides vom 13. September 2017 teilte die Beklagte mit, dass sie dem Rentenantrag solange nicht entsprechen könne, wie der Kläger bei der Sachver­halt­s­er­mittlung nicht mitwirke. Eine Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet könne nur ohne Begleitperson durchgeführt werden. Diese dürfe lediglich bis in den Wartebereich mitkommen.

Kläger begehrt Aufhebung des Versa­gungs­be­scheides

Mit seiner im Januar 2018 erhobenen Anfech­tungsklage begehrte der anwaltlich vertretene Kläger die Aufhebung des Versa­gungs­be­scheides. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebiete, dass er bei den Begutachtungen von einer Vertrau­ens­person begleitet werden dürfe. Er habe mit Sachver­ständigen bereits schlechte Erfahrungen gemacht, weil diese seine Angaben unzutreffend wiedergegeben hätten.

Antragsteller muss Mitwir­kungs­pflichten nachkommen

Das Sozialgericht Berlin wies die Klage nach mündlicher Verhandlung ab. Zu Recht habe die Beklagte die Gewährung einer Rente versagt, denn der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Indem er auf die Anwesenheit einer Vertrau­ens­person bei der Begutachtung bestanden habe, habe er die Aufklärung des Sachverhaltes unmöglich gemacht.

Begleitperson

Begleitperson stattfinden'> Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, von Amts wegen zu ermitteln, ob die medizinischen Voraussetzungen der begehrten Rente wegen Erwer­bs­min­derung vorliegen. Im Falle des Klägers sei hierfür insbesondere eine Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet erforderlich gewesen. Eine solche Begutachtung müsse jedoch grundsätzlich ohne Begleitperson stattfinden, denn die wichtigste Erkennt­nis­quelle sei die Befragung der zu untersuchenden Person. Nehme an der Befragung eine Begleitperson teil, bestehe stets die Gefahr, dass der Proband aus Rücksicht auf die Erwartungen der Begleitperson keine vollständigen oder wahrheits­gemäßen Angaben mache. Dies gelte umso mehr, wenn es sich um Familien­an­ge­hörige oder Partner handele.

Sachgemäße Untersuchung in Anwesenheit einer Begleitperson nicht zu erwarten

Der Einwand des Klägers, er habe mit Sachver­ständigen bereits schlechte Erfahrungen gemacht, sei viel zu unkonkret gewesen, um von diesem Grundsatz abzuweichen. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Beklagte vielmehr annehmen müssen, dass eine sachgemäße Untersuchung in Anwesenheit einer Begleitperson nicht zu erwarten war.

Die strei­tent­scheidende Rechts­vor­schrift ist § 66 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozial­ge­setzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I):

"Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwir­kungs­pflichten [...] nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind."

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online (pm/kg)

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