Oberlandesgericht Schleswig Urteil12.10.1955
Führer eines 8 Tonnen schweren LKW muss Bespritzen von Fußgängern und Radfahrern mit Schneematsch durch langsames Fahren auf Mindestmaß beschränkenZumutbar ist Fahren mit Schritttempo
Dem Führer eines acht Tonnen schweren Lkw ist es bei Schneematsch zumutbar, im Schritttempo zu fahren, um das Bespritzen von Fußgängern und Radfahrern auf ein Mindestmaß zu beschränken. Kommt er dem nicht nach, so ist ihm ein fahrlässiger Verkehrsverstoß anzulasten. Dies hat das Oberlandesgericht Schleswig entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Januar 1955 wurde ein Radfahrer und mehrere Fußgänger erheblich mit Schneematsch bespritzt, weil ein unbeladener acht Tonnen schwerer Lkw mit einer Geschwindigkeit von 25-30 km/h durch auf der Straße liegenden Schnee- und Wassermatsch fuhr. Das Amtsgericht verurteilte den Fahrer des Lkw aufgrund dessen wegen fahrlässiger Übertretung der Straßenverkehrsordnung zu einer Geldstrafe. Dagegen richtete sich die Revision des Lkw-Fahrers.
Fahrlässiger Verkehrsverstoß aufgrund Bespritzens anderer Verkehrsteilnehmer mit Schneematsch
Das Oberlandesgericht Schleswig bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision des Lkw -Fahrers zurück. Ihm sei ein fahrlässiger Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorzuwerfen. Danach habe sich jeder Verkehrsteilnehmer unter anderem so zu verhalten, dass kein anderer mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, belästigt werde. Der Radfahrer und die Fußgänger seien aber aufgrund des Bespritzens mit Schneematsch belästigt worden.
Beschränkung der Belästigung durch Fahren im Schritttempo
Zwar könne in Kraftfahrer auch bei vorsichtiger Fahrweise nicht jedes Bespritzen von anderen Verkehrsteilnehmern verhindern, so das Oberlandesgericht. Die Öffentlichkeit müsse bei schmutzigem oder regnerischem Wetter derartige mit dem Verkehr unvermeidbar verbundenen Einwirkungen hinnehmen, um nicht den Verkehr lahmzulegen. Jedoch hätte der Lkw -Fahrer durch Fahren im Schritttempo die Belästigung der anderen Verkehrsteilnehmer erheblich einschränken können. Ein solches langsames Fahren sei ihm zumutbar gewesen.
Keine Lahmlegung des Verkehrs aufgrund vorübergehender Verlangsamung
Eine durch Witterungsverhältnisse bedingte vorübergehende Verlangsamung des Verkehrs an Straßenstellen, die auch von Fußgängern und Radfahrern benutzt werden, sei nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht gleichbedeutend mit einer Lahmlegung des Verkehrs. Zudem sei das Gebot der Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer vorrangig gegenüber dem Gebot der Flüssigkeit des Verkehrs.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.10.2017
Quelle: Oberlandesgericht Schlewsig, ra-online (zt/DAR 1956, 22/rb)