18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.

Dokument-Nr. 10631

Drucken
ergänzende Informationen

Thüringer Oberverwaltungsgericht Urteil25.11.2010

Kostenübernahme von Kinder­ta­gess­tät­ten­beitrag – Verdeckte Ermittlungen durch Sozialdetektiv grundsätzlich unzulässigErmittlungen durch Außen­dienst­mi­t­a­r­beiter der Stadt verletzten Überwachte in Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung

Einer Stadt, die für eine Frau die Kinder­ta­gess­tät­ten­beiträge übernimmt, ist es nicht gestattet, einen Außen­dienst­mi­t­a­r­beiter mit der Vornahme verdeckter Ermittlungen zu beauftragen, wenn sie vermutet, dass die Frau in einer eheähnlichen Lebens­ge­mein­schaft dem Vater der Kinder zusammenlebt, dessen Einkommen angerechnet werden müsste. Verdeckten Ermittlungen dieser Art verletzten den Überwachten in seinem Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung. Dies entschied das Thüringer Oberver­wal­tungs­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall hatte die Stadt Eisenach seit dem 1. Mai 2001 den Kinder­tags­stät­ten­beitrag für die älteste Tochter der Klägerin übernommen. Da die Stadt Eisenach den Verdacht hegte, dass die Klägerin mit dem Vater ihrer beiden Töchter in einer eheähnlichen Lebens­ge­mein­schaft zusammenlebte (dessen Einkommen sie sich dann hätte anrechnen lassen müssen), beauftragte sie einen Außen­dienst­mi­t­a­r­beiter mit der Vornahme verdeckter Ermittlungen. Der Mitarbeiter der Beklagten kontrollierte in der Zeit von Mai bis September 2002 in bestimmten Abständen sowohl durch Observierungen als auch durch Befragungen von Mitbewohnern die Kontakte zwischen dem Kindesvater und der Klägerin (insbesondere dessen Aufenthalte in ihrer Wohnung).

Stadt geht von eheähnlicher Lebens­ge­mein­schaft aus und stellt Übernahme der Kinder­gar­ten­beiträge ein

Die Stadt Eisenach ging aufgrund der Ermittlungen zunächst vom Bestehen einer eheähnlichen Lebens­ge­mein­schaft aus und stellte die Übernahme der Kinder­gar­ten­beiträge ein, da die Klägerin keine Angaben zum Einkommen des Kindesvaters machte. Nachdem die Klägerin dagegen Widerspruch erhoben hatte, übernahm die Stadt die Beiträge wieder.

Frau beantragt Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der Ermittlungen

Die Klägerin begehrte mit ihrer im Jahre 2003 beim Verwal­tungs­gericht Meiningen erhobenen Klage die Feststellung, dass die Ermittlungen des Außen­dienst­mi­t­a­r­beiters der beklagten Stadt rechtswidrig waren. Die Meininger Richter wiesen die Klage durch Gerichts­be­scheid vom 6. November 2006 ab, da sie die Datenerhebung für rechtmäßig hielten. Hiergegen richtet sich die vom Oberver­wal­tungs­gericht im Jahre 2008 zugelassene Berufung der Klägerin, der das Gericht aufgrund der heutigen mündlichen Verhandlung stattgegeben hat.

Ermittlungen des Außen­dienst­mi­t­a­r­beiters von keiner gesetzlichen Grundlage gedeckt

In der Urteils­be­gründung führte das Gericht aus, die verdeckten Ermittlungen des Außen­dienst­mi­t­a­r­beiters verletzten die Klägerin in ihrem Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung, da sie von keiner gesetzlichen Grundlage gedeckt gewesen seien. Nach der einschlägigen Regelung der Datenerhebung in § 62 Abs. 3 SGB VIII dürften Sozialdaten nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen ohne Mitwirkung des Betroffenen erhoben werden, die hier aber nicht erfüllt seien. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass eine Datenerhebung bei der Klägerin selbst (etwa durch eine eingehende Befragung) unmöglich gewesen wäre.

Quelle: Thüringer Oberverwaltungsgericht/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil10631

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI