21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil31.10.2008

Führer­schein­tou­rismus: In Polen erteilte Fahrerlaubnis ist in Deutschland anzuerkennenOVG Rheinland-Pfalz beruft sich auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

Eine von einem Deutschen in Polen erworbene Fahrerlaubnis ist von den deutschen Behörden anzuerkennen, auch wenn der Fahrer­laub­nis­inhaber in Polen nur einen Scheinwohnsitz hatte („Führer­schein­tou­rismus”). Dies entschied das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz und änderte damit seine bisherige Rechtsprechung.

Dem Kläger wurde zweimal die Fahrerlaubnis wegen Trunken­heits­fahrten entzogen. Die Wiedererteilung scheiterte 2004, weil er das von der Fahrer­laub­nis­behörde geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorlegte. Daraufhin erwarb der Kläger im Dezember 2006 über eine in Berlin ansässige Firma eine polnische Fahrerlaubnis; im Führerschein ist als Wohnsitz Stettin eingetragen. Nachdem der Kläger die nach wie vor bestehenden Eignungs­be­denken nicht durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten ausgeräumt hatte, entzog die deutsche Straßen­ver­kehrs­behörde die polnische Fahrerlaubnis. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwal­tungs­gericht ab. Das Oberver­wal­tungs­gericht gab der Berufung des Klägers statt und hob die Entziehung der Fahrerlaubnis auf.

OVG Rheinland-Pfalz ändert seine bisherige Rechtsprechung

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Oberver­wal­tungs­ge­richts habe die einer ungeeigneten Person von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellte Fahrerlaubnis entzogen werden dürfen, wenn der Fahrer­laub­nis­inhaber in diesem Staat lediglich einen Scheinwohnsitz begründet habe. Denn die Fahrerlaubnis sei rechts­miss­bräuchlich erworben worden.

Neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

Hieran könne aufgrund der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil v. 26.06.2008 - C-329/06, C-343/06, C-334/06, C-336/06 -) nicht mehr festgehalten werden. Danach sehe das europäische Recht die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten der EU ausgestellten Führerscheine ohne jede Einschränkung vor. Es sei allein Aufgabe des Ausstel­ler­staates, die im Gemein­schaftsrecht aufgestellten Mindest­vor­aus­set­zungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zu prüfen, und die Fahrerlaubnis zu entziehen, falls sich nachträglich herausstelle, dass sie zu Unrecht erteilt worden sei. Ausnahmsweise könne allerdings der Heimatstaat die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sich aus dem Führerschein selbst oder aus amtlichen Äußerungen des Ausstel­ler­staates ergebe, dass der Fahrer­laub­nis­inhaber dort (hier: Polen) keinen Wohnsitz gehabt habe. An einem derartigen amtlichen polnischen Hinweis fehle es im vorliegenden Fall.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 55/08 des OVG Rheinland-Pfalz vom 03.12.2008

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