13.12.2024
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Dokument-Nr. 34014

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Oberverwaltungsgericht Münster Urteil24.05.2024

Auch nicht essbare Wursthüllen und Verschlussclipse gehören zur Füllmenge fertig­ver­packter LeberwurstUngenießbare Wursthüllen bei Leberwurst laut Gericht Teil der Füllmenge

Das Ober­verwaltungs­gericht Münster hat entschieden, dass auch nicht essbare Wursthüllen und -clipse zur Füllmenge fertig­ver­packter Leberwurst gehören, und eine Unter­sagungs­verfügung des Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW aufgehoben.

Die Klägerin ist eine in Nordrhein-Westfalen ansässige Herstellerin von Wurstwaren. Im Jahr 2019 nahm der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW im Betrieb der Klägerin zwei Füllmen­gen­kon­trollen hinsichtlich von ihr vermarkteter fertig­ver­packter Leberwürste in nicht essbaren Wursthüllen vor. In den untersuchten Chargen mit auf den Verpa­ckungs­eti­ketten angegebenen Nennfüllmengen von jeweils 130 Gramm waren im Mittel 127,7 bzw. 127,4 Gramm essbare Wurstmasse enthalten. Diese Kontroll­er­gebnisse entsprachen den Vorgaben einer Verwal­tungs­vor­schrift zur Füllmen­gen­kon­trolle von Fertigpackungen durch die zuständigen Behörden, wonach Wursthüllen und Wursten­de­nab­binder zum Nettogewicht zählen. Der Landesbetrieb ging bei den Kontrollen abweichend von seiner langjährigen früheren Praxis davon aus, dass das Gewicht der nicht essbaren Wursthüllen und Verschlussclipse seit Inkrafttreten der europäischen Lebens­mit­te­l­in­for­ma­ti­o­ns­ver­ordnung im Jahr 2014 nicht mehr zur Füllmenge der Fertigpackung gehört. Daraufhin untersagte der Landesbetrieb der Klägerin, Fertigpackungen mit Wurstwaren, bei denen die nicht essbaren Wurstclipse und Wursthüllen nicht austariert worden sind, in den Verkehr zu bringen. Die hiergegen erhobene Klage wies das VG Münster ab und stützte sich dabei auf eine Begriffs­be­stimmung in der Lebens­mit­te­l­in­for­ma­ti­o­ns­ver­ordnung.

Fertigpackung besteht aus Erzeugnis und "menge­n­er­hal­tender Umschließung"

Das OVG hat das Urteil der Vorinstanz geändert und die Unter­sa­gungs­ver­fügung aufgehoben. Nach der weiterhin maßgeblichen EWG-Richtlinie von 1976 ist unter Füllmenge die Erzeugnismenge zu verstehen, die die Fertigpackung tatsächlich enthält. Auch Würste, die nach üblichem Handelsbrauch mit nicht essbaren Wursthüllen und Verschlussclipsen gehandelt werden, sind Erzeugnisse im Sinne des Fertig­pa­ckungs­rechts. Nur dieses Begriffs­ver­ständnis ermöglicht es, umhüllte Würste entsprechend der allgemeinen Praxis, von der auch das VG ausgegangen und die zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist, als nicht fertigverpackt im Sinne der EWG-Richtlinie von 1976 anzusehen und an der Fleischtheke weiterhin ohne Angabe der Nennfüllmenge zur Verwiegung vor Ort anzubieten. Die Füllmenge einer Fertigpackung ist nach den Vorschriften des deutschen Mess- und Eichgesetzes sowie der deutschen Fertigpackungsverordnung zu bestimmen. Diese Anforderungen setzen Vorgaben der weiterhin geltenden Richtlinie der Europäischen Wirtschafts­ge­mein­schaft (EWG) über die Abfüllung bestimmter Erzeugnisse in Fertigpackungen aus dem Jahr 1976 in deutsches Recht um. Mit der seit 2014 geltenden Lebens­mit­te­l­in­for­ma­ti­o­ns­ver­ordnung hat der Unions­ge­setzgeber die bisher geltende Rechtslage bezogen auf die Bestimmung der Füllmenge von vorverpackten Lebensmitteln und Fertigpackungen mit Lebensmitteln nicht geändert, sondern für vorverpackte Lebensmittel hierauf Bezug genommen. Nach der weiterhin maßgeblichen EWG-Richtlinie von 1976 ist unter Füllmenge die Erzeugnismenge zu verstehen, die die Fertigpackung tatsächlich enthält. Dabei besteht eine Fertigpackung aus einem Erzeugnis und seiner vollständigen und menge­n­er­hal­tenden Umschließung beliebiger Art.

Vorschrift aus dem Lebens­mit­tel­hy­gi­e­nerecht nicht übertragbar

Um zu bestimmen, was nun unter den Begriff des "Erzeugnisses" fällt, stellte der Senat Vergleiche zu anderen Vorschriften an. Der Begriff des Erzeugnisses ist ein unions­recht­licher Begriff, der bereits in den Bestimmungen des Gründungs­vertrags der EWG über die Landwirtschaft verwendet worden war und im Wesentlichen unverändert bis heute gilt (heute: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV). Die "Erzeugnisse" seien schon damals in einer Liste im Anhang des EWG-Vertrags (heute also des AEUV) aufgeführt gewesen. In dieser Liste ist unter anderem „Fleisch und genießbarer Schlachtabfall“ als landwirt­schaft­liches Erzeugnis genannt. Daneben erwähnt die Liste allerdings auch nicht essbare landwirt­schaftliche Erzeugnisse. Auch die Lebens­mit­tel­ba­sis­ver­ordnung bringt zum Ausdruck, dass Erzeugnisse nicht essbar sein müssen oder nicht essbare Teile enthalten können, indem sie Lebensmittel als essbare Stoffe oder Erzeugnisse definiert. Nur für Zwecke der Lebens­mit­tel­hygiene geht die Lebens­mit­tel­hy­gi­e­ne­ver­ordnung in ihren Vorschriften für das Umhüllen und Verpacken von Lebensmitteln davon aus, dass Umhüllung und Verpackung nicht Teil des Erzeugnisses sind. Auf der Grundlage dieser Begriffs­ver­wen­dungen betrachtet der Senat auch Würste, die nach üblichem Handelsbrauch mit nicht essbaren Wursthüllen und Verschlussclipsen gehandelt werden, als solche mit Umhüllung als handelbare Waren und damit als Erzeugnisse im Sinne des Fertig­pa­ckungs­rechts. Sie sind erst dann als fertigverpackt anzusehen, wenn sie mit einer Umschließung beliebiger Art (Fertigpackung) an die Verbraucher abgegeben werden sollen. Der Senat hat die Revision, über die das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entscheidet, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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