21.11.2024
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Dokument-Nr. 30019

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Beschluss19.03.2021Oberverwaltungsgericht Lüneburg3 MN 132/21, 13 MN 114/21 und 13 MN
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Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss19.03.2021

OVG Niedersachsen setzt mehrere Corona- Verordnungs­regelungen außer VollzugEinzelne Verbots­re­ge­lungen verstoßen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz bzw. stellen keine notwendigen Infektions­schutz­maßnahmen mehr dar

Das Nieder­säch­sischen Ober­verwaltungs­gerichts hat verschiedene Verbots­re­ge­lungen der Nieder­säch­sischen Corona- Verordnung (im Folgenden: Corona-VO) in der derzeit geltend, zuletzt am 12. März 2021 geänderten Fassung vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Das OVG ging unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung und unter Berück­sich­tigung des aktuellen Infek­ti­o­ns­ge­schehens davon aus, dass die Corona-VO und die auf diese bezogenen Änderungs­ver­ord­nungen auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruhen, formell rechtmäßig sind und hinsichtlich deren materieller Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das "Ob" eines staatlichen Handelns keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Einzelne Verbots­re­ge­lungen seien aber keine notwendigen Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen mehr oder verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Kontakt­be­schrän­kungen mit Obergrenze von 5 Personen vorläufig außer Vollzug

Im Verfahren 13 MN 132/21 hatte sich ein Antragsteller, der gemeinsam mit seiner Ehefrau und drei Kindern, die älter als 14 Jahre sind, in einem Haushalt lebt, gegen die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO geregelten Kontaktbeschränkungen gewandt und geltend gemacht, die dort bestimmte Obergrenze von fünf Personen für Zusammenkünfte schließe es vollständig aus, im Haushalts­verbund weitere Personen zu treffen. Der 13. Senat ist dem gefolgt und hat § 2 Abs. 1 Satz 1 Corona- VO vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit danach Zusammenkünfte nur mit höchstens fünf Personen zulässig sind.

Keine Berück­sich­tigung von Haushalten mit mehr als fünf Personen unangemessen

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass die fixe Obergrenze von fünf Personen, wenn diese 15 Jahre oder älter sind, unangemessen sei. Zum einen berücksichtige sie überhaupt nicht solche Haushalte, in denen bereits mehr als fünf Personen lebten. Zum anderen schließe sie Haushalte mit fünf Personen, von denen alle 15 Jahre oder älter sind, von jedweden gemeinsamen sozialen Kontakten zu Dritten aus. Dies berücksichtige tatsächlich bestehende familiäre und soziale Strukturen nicht hinreichend. Es sei auch lebensfremd und unter infek­tio­lo­gischen Gesichtspunkten nicht mehr sachangemessen, von einzelnen Personen dieses Haushalts zu verlangen, den Haushalt vorübergehend zu verlassen, um den Kontakt zu Dritten zu ermöglichen.

Widerspruch zu Regelungen in Hochin­zi­denz­kommunen

Die Verordnung sei insoweit auch widersprüchlich. Denn in Hochin­zi­denz­kommunen (mit einer länger andauernden 7-Tage-Inzidenz von mehr als 100) gelte die zuvor bis zum 6. März 2021 angeordnete Kontakt­be­schränkung fort. Letztere sehe aber keine fixe Obergrenze für Zusammenkünfte vor, sondern gestatte stets den Kontakt zu mindestens einer haushalts­fremden Person. In Hochin­zi­denz­kommunen, in denen gerade eine besonders hohe Infek­ti­o­ns­gefahr bestünde, dürfe sich danach ein Haushalt von fünf Personen also weiterhin mit einer haushalts­fremden Person treffen. Von der Außervollzugsetzung unberührt bleibt die weiterhin zu beachtende Vorgabe des § 2 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO, dass sich nur Personen aus insgesamt höchstens zwei Haushalten treffen dürfen.

Schließung von Zoos und Tierparks in Hochin­zi­denz­kommunen weder erforderlich noch angemessen

Im Verfahren 13 MN 114/21 hatte sich der Inhaber eines Tier- und Freizeitparks gegen die Schließung von Zoos und Tierparks in Hochin­zi­denz­kommunen nach § 18 a Abs. 3 Corona-VO und gegen die landesweite Schließung von Freizeitparks nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Corona-VO gewandt. Gegenwärtig dürfen Zoos und Tierparks in Kommunen, die nicht zu den sog. Hochin­zi­denz­kommunen (mit einer länger andauernden 7-Tage-Inzidenz von mehr als 100) gehören, öffnen, während Freizeitparks nach wie vor geschlossen sind. Der 13. Senat hat die fortwährende Schließung von Zoos und Tierparks in Hochin­zi­denz­kommunen vorläufig außer Vollzug gesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass diese als Infek­ti­o­ns­schutz­maßnahme nicht mehr erforderlich und auch nicht mehr angemessen sei. Das Infek­ti­o­ns­risiko bei Aufenthalten im Freien sei von vorneherein vergleichsweise gering und könne durch mildere Maßnahmen als eine Schließung hinreichend effektiv reduziert werden, etwa durch Begrenzungen des Zugangs zum Zoo oder Tierpark, Steuerungen des Aufenthalts dort, Maßnahmen zur Vermeidung von Perso­nen­kon­takten und Beschränkungen besonders infek­ti­o­ns­re­le­vanter Einrichtungen (etwa von Innenbereichen) oder Veranstaltungen (etwa Schau­füt­te­rungen, Streichelzoo). Durch eine einheitliche Öffnung von Zoos und Tierparks könnten zudem Touris­mus­be­we­gungen in Kommunen verhindert werden, in denen vergleichbare Einrichtungen mit überörtlichem Einzugsbereich aufgrund niedrigerer Inzidenzen noch geöffnet seien.

Schließung von Freizeitparks zur Vermeidung weiterer Ausbreitung von SARS-CoV-2 und COVID-19 noch hinzunehmen

Den weitergehenden Antrag auf Außer­voll­zug­setzung der landesweiten Schließung von Freizeitparks hat der Senat abgelehnt. Auch insoweit bestünden zwar Zweifel an der Erfor­der­lichkeit und Angemessenheit der fortdauernden Schließung. Es sei aber nicht hinreichend klar, ob den infek­ti­o­ns­re­le­vanten Besonderheiten eines Freizeitparks (Warteschlangen vor und unvermeidbare Perso­nen­kontakte in einzelnen Fahrgeschäften) in gleicher Weise effektiv wie in Zoos und Tierparks durch Hygienekonzepte Rechnung getragen werden könne. Deswegen sei zur Vermeidung der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 und COVID-19 die fortdauernde Schließung noch hinzunehmen. Der Antragsgegner habe aber verstärkt Möglichkeiten der Öffnung mit geeigneten und normativ zu prägenden Hygie­ne­kon­zepten in den Blick zu nehme.

Einzel­mu­si­k­un­terricht erlaubt

Im Verfahren 13 MN 118/21 begehrte eine Musiklehrerin die Außer­voll­zug­setzung des § 14 a Corona-VO, soweit dieser Einzel­mu­si­k­un­terricht untersage. Der 13. Senat hat auch diesem Antrag entsprochen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen seine vorausgegangene Entscheidung zur Außer­voll­zug­setzung der Hundetrainings von Hundeschulen herangezogen und einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz angenommen. Zwischen dem untersagten Einzel­mu­si­k­un­terricht und den erlaubten Kontakten im privaten Bereich bestünden keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die eine Ungleich­be­handlung rechtfertigen könnten. Sie bestünden weder hinsichtlich einer vom Antragsgegner befürchteten Unterschreitung des Minde­st­ab­s­tandes zwischen Lehrkraft und Einzelschüler noch bezüglich einer seriellen Kontakthäufung der Lehrkraft.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, ra-online (pm/ab)

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