Oberlandesgericht Stuttgart Urteil14.07.2010
Von einer Gemeinde erstellter Mietspiegel genießt UrheberrechtsschutzSchutzwürdigkeit wird aufgrund ausreichender Schöpfungshöhe erreicht - Zur Urheberrechtsfähigkeit eines qualifizierten Mietspiegels
Weist der von einer Gemeinde erstellte Mietspiegel genug individuelle Gestaltungselemente auf, so kann er urheberrechtlichen Schutz genießen. Er wird auch nicht deshalb gemeinfrei, weil es sich etwa um ein amtliches Werk handelt. Dies trifft auf Mietspiegel grundsätzlich nicht zu, da sie keinen allgemeinverbindlichen Regelungscharakter aufweisen. Diese Feststellung traf das Oberlandesgericht Stuttgart.
Im vorliegenden Fall ging es um die urheberrechtliche Schutzwürdigkeit eines von einer Gemeinde erstellten qualifizierten Mietspiegels, der als 20-seitige Broschüre herausgegeben und gegen eine Schutzgebühr von 6,50 Euro zuzüglich Versandkosten erhältlich war. Der Kläger im vorliegenden Fall wollte den Mietspiegel veröffentlichen und bezweifelte in diesem Zusammenhang die urheberrechtlichen Ansprüche der Gemeinde.
Mietspiegel erreicht die erforderliche Schöpfungshöhe
Das Oberlandesgericht bestätigte jedoch die Auffassung der Beklagten, dass der herausgegebene qualifizierte Mietspiegel einen urheberrechtlichen Schutz genieße und nicht gemeinfrei sei. Der erstellte Mietspiegel erreiche für Texte sowie für Tabellen und Zeichnungen als Darstellungen technischer Art im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG die erforderliche Schöpfungshöhe, um als Werk nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7; Abs. 2 UrhG urheberechtlich geschützt zu sein.
Der Mietspiegel lässt eine hinreichende schöpferische Individualität erkennen
Ob ein Mietspiegel urheberschutzfähig sei, könne jedoch nur im Einzelfall geklärt werden und er setze die Prüfung der schöpferischen Leistung und der Gestaltungshöhe voraus. Der streitgegenständliche Mietspiegel enthalte sowohl in seinem Text als auch in seinen Tabellen keine bloße Auflistung technischer Vorgaben und auch keine reine Wiedergabe der zur Erstellung erhobenen Daten. Vielmehr erläutere die Broschüre den konkreten Mietspiegel in seinem rechtlichen und sozialen Zusammenhang. Die Gestaltung der Broschüre sei keineswegs durch die Natur der Sache vorgezeichnet. Sie lasse in der Darstellungsweise eine hinreichende schöpferische Individualität erkennen. Der in klarer Sprache und kurzen Sätzen verfasste Text werde durch Beispiele und Aufzählungen aufgelockert. Enthalten sei auch eine Berechnungshilfe zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Keine schöpferische Leistung und individuelle Gestaltung liege vor, wenn es sich bei der Darstellung um eine reine Tabellenform in Reihen und Spalten handeln würde.
Ein Mietspiegel ist kein amtliches Werk
Der Mietspiegel sei auch nicht deshalb gemeinfrei, da es sich nicht um ein amtliches Werk im Sinne des § 5 Abs. 1 UrhG handele, nach dem es sich um ein Gesetz oder eine Verordnung, einen amtlichen Erlass oder amtliche Bekanntmachung handeln müsste. Dies sei bei einem Mietspiegel grundsätzlich zu verneinen, da er keinen allgemeinverbindlichen Regelungscharakter habe und keine Bindungs- und Regelungswirkung entfalte. Die Gemeinde setze nicht etwa die Miethöhe für die Wohnungen fest. Der Mietspiegel gebe lediglich die Tatsache wieder, wie das Mieterhöhungsverlangen in einem Gebiet ausfalle.
Im vorliegenden Fall stehe der Gemeinde demnach das ausschließliche Nutzungsrecht zu.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.04.2012
Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Stuttgart (vt/st)