15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen mehrere Chips und Würfel, wie sie im Casino verwendet werden.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil26.06.2006

Vermittlung von Sportwetten nicht strafbar, wenn der Angeklagte nicht das Unrecht seiner Tat kenntAngeklagter befand sich in einem "unvermeidbaren Verbotsirrtum" - Gericht ließ offen, ob die Vermittlung von Sportwetten strafbar ist

Ein nicht Rechtskundiger kann sich auf die Auskunft eines Rechtsanwalts oder der zuständigen Behörde verlassen, die ihm mitteilen, dass die von ihm vorgesehene Vermittlung von Sportwetten straffrei ist. Mit dieser Begründung hat das Oberlan­des­gericht Stuttgart in dem Revisi­ons­ver­fahren gegen einen 31 - jährigen Kaufmann aus Heidenheim die Revision der Staats­an­walt­schaft verworfen. Die Staats­an­walt­schaft hatte dem Mann vorgeworfen, gewerbsmäßig ohne behördliche Erlaubnis ein Glücksspiel veranstaltet zu haben (§ 284 StGB), indem er den Kunden seines Wettbüros über das Internet die Teilnahme an Sportwetten (so genannte Oddset - Wetten) eines in Österreich konzes­si­o­nierten Wettbüros ermöglicht hat.

Der Angeklagte war vom Amtsgericht Heidenheim freigesprochen worden. Das Landgericht Ellwangen hatte den Freispruch bestätigt. Dieser Freispruch ist nun rechtskräftig. Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat es offen gelassen, ob das Verhalten des Angeklagten, nämlich die Vermittlung von Sportwetten ohne behördliche Genehmigung, strafbar war bzw. ist. Denn jedenfalls sei der Angeklagte hinsichtlich des Unrechts seiner Tat einem "unvermeidbaren Verbotsirrtum" (§ 17 Satz 1 StGB) erlegen und habe damit ohne Schuld gehandelt.

Der Angeklagte habe nämlich vom zuständigen Mitarbeiter der Stadt Heidenheim und von einem bundesweit bekannten Rechtsanwalt für das Recht der Sportwetten die Auskunft erhalten, die von ihm praktizierte Vermittlung von Sportwetten an einen in Österreich konzes­si­o­nierten Veranstalter sei nicht strafbar.

Der Senat hat entschieden, dass in Fällen des Glückss­piel­verbots des § 284 StGB sich ein nicht Rechtskundiger in der Regel auf die Auskunft eines Rechtsanwalts verlassen dürfe, den er ohne Verschulden als kompetent angesehen habe (also zum Beispiel auf die Auskunft eines Spezialanwalts für das betreffende Rechtsgebiet). Auch auf die Auskunft eines Sachbearbeiters der zuständigen Behörde müsse er vertrauen dürfen. Der europäische Gerichtshof habe in zwei Entscheidungen auch erhebliche Zweifel an der Strafbarkeit von Verstößen gegen das staatliche Wettmonopol geäußert, solange statt der Suchtprävention die willkommene Einnahmequelle im Vordergrund stehe.

Das Risiko der extrem unklaren Rechtslage, wie sie hier von Behörden und Gerichten geschaffen worden sei, dürfe nicht einseitig dem einzelnen Bürger aufgebürdet werden. In einem Rechtsstaat dürfe nur ein Verhalten bestraft werden, das vorher für die Betroffenen als strafbares Unrecht erkennbar gewesen sei.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, dass ein staatliches Monopol für Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar ist, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist, was derzeit nicht das Fall sei. Es hat dem Gesetzgeber deswegen eine Frist zur Neuregelung der Materie bis Ende 2007 gesetzt hat. Die Frage der Strafbarkeit der Veranstaltung sog. Oddset - Wetten ohne behördliche Genehmigung blieb dabei offen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 26.06.2006

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil2582

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI