Dokument-Nr. 2582
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil26.06.2006
Vermittlung von Sportwetten nicht strafbar, wenn der Angeklagte nicht das Unrecht seiner Tat kenntAngeklagter befand sich in einem "unvermeidbaren Verbotsirrtum" - Gericht ließ offen, ob die Vermittlung von Sportwetten strafbar ist
Ein nicht Rechtskundiger kann sich auf die Auskunft eines Rechtsanwalts oder der zuständigen Behörde verlassen, die ihm mitteilen, dass die von ihm vorgesehene Vermittlung von Sportwetten straffrei ist. Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Stuttgart in dem Revisionsverfahren gegen einen 31 - jährigen Kaufmann aus Heidenheim die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Mann vorgeworfen, gewerbsmäßig ohne behördliche Erlaubnis ein Glücksspiel veranstaltet zu haben (§ 284 StGB), indem er den Kunden seines Wettbüros über das Internet die Teilnahme an Sportwetten (so genannte Oddset - Wetten) eines in Österreich konzessionierten Wettbüros ermöglicht hat.
Der Angeklagte war vom Amtsgericht Heidenheim freigesprochen worden. Das Landgericht Ellwangen hatte den Freispruch bestätigt. Dieser Freispruch ist nun rechtskräftig. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat es offen gelassen, ob das Verhalten des Angeklagten, nämlich die Vermittlung von Sportwetten ohne behördliche Genehmigung, strafbar war bzw. ist. Denn jedenfalls sei der Angeklagte hinsichtlich des Unrechts seiner Tat einem "unvermeidbaren Verbotsirrtum" (§ 17 Satz 1 StGB) erlegen und habe damit ohne Schuld gehandelt.
Der Angeklagte habe nämlich vom zuständigen Mitarbeiter der Stadt Heidenheim und von einem bundesweit bekannten Rechtsanwalt für das Recht der Sportwetten die Auskunft erhalten, die von ihm praktizierte Vermittlung von Sportwetten an einen in Österreich konzessionierten Veranstalter sei nicht strafbar.
Der Senat hat entschieden, dass in Fällen des Glücksspielverbots des § 284 StGB sich ein nicht Rechtskundiger in der Regel auf die Auskunft eines Rechtsanwalts verlassen dürfe, den er ohne Verschulden als kompetent angesehen habe (also zum Beispiel auf die Auskunft eines Spezialanwalts für das betreffende Rechtsgebiet). Auch auf die Auskunft eines Sachbearbeiters der zuständigen Behörde müsse er vertrauen dürfen. Der europäische Gerichtshof habe in zwei Entscheidungen auch erhebliche Zweifel an der Strafbarkeit von Verstößen gegen das staatliche Wettmonopol geäußert, solange statt der Suchtprävention die willkommene Einnahmequelle im Vordergrund stehe.
Das Risiko der extrem unklaren Rechtslage, wie sie hier von Behörden und Gerichten geschaffen worden sei, dürfe nicht einseitig dem einzelnen Bürger aufgebürdet werden. In einem Rechtsstaat dürfe nur ein Verhalten bestraft werden, das vorher für die Betroffenen als strafbares Unrecht erkennbar gewesen sei.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, dass ein staatliches Monopol für Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar ist, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist, was derzeit nicht das Fall sei. Es hat dem Gesetzgeber deswegen eine Frist zur Neuregelung der Materie bis Ende 2007 gesetzt hat. Die Frage der Strafbarkeit der Veranstaltung sog. Oddset - Wetten ohne behördliche Genehmigung blieb dabei offen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.06.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 26.06.2006
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