15.11.2024
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil15.03.2006

Zum Umfang der Berichtspflicht eines Aufsichtsrats gegenüber der Haupt­ver­sammlung

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat den von der Haupt­ver­sammlung der RTV Family Entertainment AG am 20.05.2005 gefassten Beschluss, durch welchen dem Aufsichtsrat Entlastung erteilt wurde, für nichtig erklärt.

Dies wurde damit begründet, dass sich der Bericht des Aufsichtsrats angesichts der erheblichen wirtschaft­lichen Schwierigkeiten der RTV AG im Geschäftsjahr 2004 nicht auf einen Satz beschränken durfte, in dem neben der Mitteilung der Anzahl der Aufsichts­rats­sit­zungen lediglich formelhaft mitgeteilt worden sei, dass sich der Aufsichtsrat "regelmäßig anhand schriftlicher und mündlicher Berichte des Vorstands eingehend über die Unter­neh­mens­strategie, den Gang der Geschäfte und die Lage des Unternehmens sowie über wesentliche Programm-Investitionen informierte".

Der Senat dazu:

"Eine sachgerechte Entscheidung der Anteilseigner in der Haupt­ver­sammlung über die Entlastung setzt die Information über die konkrete Überwa­chung­s­tä­tigkeit des Aufsichtsrats im maßgeblichen Geschäftsjahr voraus. Nur eine aussagekräftige individuelle Darlegung der während des Berichtsjahres erfolgten Überwa­chung­s­tä­tigkeit verschafft der Haupt­ver­sammlung einen Einblick in die Arbeit des von ihr gewählten Aufsichtsrats".

Die Intensivierung der Überwa­chungs­pflicht wegen wirtschaft­licher Schwierigkeiten führe zu einer damit korre­spon­die­renden Intensivierung der Berichtspflicht. Der Aufsichtsrat habe zumindest bei wirtschaft­lichen Schwierigkeiten der Gesellschaft über alle außer­ge­wöhn­lichen oder problematischen Vorkommnisse eingehend zu berichten. Gegenstand der Berich­t­er­stattung müssten dann insbesondere außer­ge­wöhnliche Prüfungs­maß­nahmen wie Anfor­de­rungs­be­richte nach § 90 Abs. 3 AktG, Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermö­gens­ge­gen­stände nach § 111 Abs. 2 S. 1 AktG, die Beauftragung besonderer Sachver­ständiger für bestimmte Aufgaben nach § 111 Abs. 2 S. 2 AktG sowie Zustim­mungs­vor­behalte nach § 111 Abs. 4 AktG bis hin zur Bestellung oder Abberufung der Mitglieder des Vorstands, oder aber eine Darlegung der Gründe für die bewusste Nichtausübung solcher gesetzlichen Befugnisse des Aufsichtsrats sein.

Bei wirtschaft­lichen Schwierigkeiten des Unternehmens oder risikoträchtigen, wegweisenden Entscheidungen müssten dem Bericht die Schwerpunkte und zentralen Fragestellungen der Überwachungs- und Beratung­s­tä­tigkeit des Aufsichtsrats im maßgeblichen Geschäftsjahr entnommen werden können.

Durch den schriftlichen Bericht des Aufsichtsrats müsse die Haupt­ver­sammlung eine konkrete, am tatsächlichen Überwa­chungs­aufwand gemessene Vorstellung von der Überwa­chung­s­tä­tigkeit erlangen, um auf dieser Grundlage über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats entscheiden zu können.

Damit war die Berufung eines Aktionärs gegen ein Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 29.09.2005 (8 O 147/05 KfH 2) erfolgreich.

Der Kläger hatte mit der Anfech­tungsklage die Nichti­g­er­klärung des in der Haupt­ver­handlung der Beklagten gefassten Beschlusses begehrt, durch den der Aufsichtsrat entlastet wurde.

Die Beklagte ist ein im Medienbereich tätiges Unternehmen, das sich mit der Entwicklung, Produktion und dem Vertrieb von Kinder- und Familienserien für Fernseh­pro­gramme sowie der Verwertung von Lizenzrechten des eigenen Programm­be­standes befasst. Mehrheits­ak­ti­onärin der seit dem 16.04.1999 in der Rechtsform der Aktien­ge­sell­schaft geführten Beklagten war bis November 2005 die Ravensburger AG.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 15.03.2006

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