Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Februar 2003 errichtete ein Ehepaar ein Berliner Testament. Dieses enthielt eine Pflichtteilsstrafklausel, wonach das Kind, welches nach dem Erstversterbenden seinen Pflichtteil fordert, nachdem Letztversterbenden auf den Pflichtteil beschränkt ist. Nach dem im Juli 2003 die Ehefrau starb, beauftragte die Tochter einen Rechtsanwalt, der zu nächst lediglich einen Auskunftsanspruch geltend machte. Ein zweites Anwaltsschreiben konnte so gedeutet werden, dass die Tochter nunmehr ihren Pflichtteil forderte. Nachfolgend erfuhr sie jedoch von der testamentarischen Pflichtteilsstrafklausel und nahm daraufhin Abstand von einer weiteren Geltendmachung des Pflichtteils. Im Januar 2013 verstarb schließlich der Ehemann. Die Tochter des Erblassers beantragte aufgrund dessen einen Erbschein, der sie neben ihren Bruder als gemeinschaftliche Erben ausweisen sollte. Der Bruder war damit jedoch nicht einverstanden. Seiner Meinung nach, sei seine Schwester auf den Pflichtteil beschränkt, da sie nach dem Tod ihrer Mutter ihren Pflichtteil gefordert habe.
Das Amtsgericht Greifswald folgte der Argumentation des Sohnes des Erblassers. Es stellte daher einen Erbschein aus, der ihn als Alleinerben auswies. Die Tochter des Erblassers sei dagegen auf ihren Pflichtteil beschränkt gewesen. Gegen diese Entscheidung legte sie Beschwerde ein.
Das Oberlandesgericht Rostock entschied zu Gunsten der Tochter und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Die Pflichtteilsstrafklausel sei nicht zur Anwendung gekommen, so dass die Tochter des Erblassers nicht auf ihren Pflichtteil beschränkt gewesen sei.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts habe zwar einiges dafür gesprochen, dass die Tochter gegenüber dem Erblasser nach dem Tod ihrer Mutter den Pflichtteil gefordert habe. Ein Pflichtteil werde gefordert, wenn der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Überlebenden ausdrücklich und ernsthaft deutlich mache, dass er seinen Pflichtteil geltend machen wolle. Es sei dabei nicht erforderlich, dass er diesen gerichtlich geltend macht oder der Pflichtteil bereits ausgezahlt ist. Unzureichend sei wiederum allein die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs. Denn die Entscheidung darüber, ob der Pflichtteil verlangt werde oder die Schlusserbeneinsetzung bestehen bleibe, hänge von dem Umfang des Nachlasses ab.
Das Fordern des Pflichtteils genüge aber allein nicht dazu die Pflichtteilsstrafklausel auszulösen, so das Oberlandesgericht. Vielmehr komme es auch darauf an, ob der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch bewusst in Kenntnis der Strafklausel geltend gemacht hat. Dies sei hier zu verneinen gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.06.2016
Quelle: Oberlandesgericht Rostock, ra-online (vt/rb)