14.11.2024
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Oberlandesgericht Oldenburg Urteil09.03.2006

Frist­be­zeichnung „Datum des Poststempels“ in Wider­rufs­be­lehrung bei Haustür­ge­schäften ist missver­ständlichWiderrufsfrist endet um 24.00 Uhr des Ablauftages

Das Oberlan­des­gericht Oldenburg hat eine Entscheidung zu den Anforderungen an die Wider­rufs­be­lehrung bei sogenannten Haustür­ge­schäften getroffen. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Regelung zum Schutz vor übereilten und unüberlegten Vertrags­sch­lüssen.

Wurden Verträge im Rahmen von Hausbesuchen oder unter vergleichbaren Umständen (Freizeit­ver­an­stal­tungen, überraschendes Ansprechen auf der Straße) vermittelt, haben Verbraucher das Recht, ihre Erklärung zum Vertragsschluss innerhalb von zwei Wochen zu widerrufen. Auf das Widerrufsrecht und die Frist muss vom Vertragspartner in Textform hingewiesen werden.

Dem vom 1. Zivilsenat des Oberlan­des­ge­richts Oldenburg entschiedenen Fall lag die Klage eines Ehepaars aus dem Emsland zugrunde. Die Kläger waren 1998 mit einer Einlage in Höhe von rund 30.000 DM als Gesellschafter (Kommanditisten) einer in München ansässigen GmbH & Co. KG beigetreten. Die Beteiligung diente zur Kapitalanlage und war von der Mitarbeiterin eines Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmens im Rahmen von Hausbesuchen vermittelt worden. Ende März 2005 widerriefen die Kläger ihre Beitritts­er­klärung und stützten sich dabei auf das Widerrufsrecht bei Haustür­ge­schäften. Die gesetzliche Widerrufsfrist von (damals noch) einer Woche sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden, weil die schriftliche Belehrung über die Einhaltung der Widerrufsfrist missver­ständlich gewesen sei.

Das Landgericht Osnabrück war dieser Argumentation der Kläger nicht gefolgt und hatte die Klage abgewiesen. Anders entschied nun das Oberlan­des­gericht: Der Widerruf sei wirksam, obwohl seit der Beitritts­er­klärung fast sieben Jahre vergangen waren. In der schriftlichen Belehrung über die Widerrufsfrist hieß es: "Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs (Datum des Poststempels)..." Diese Belehrung sei durch den Hinweis auf das Datum des Poststempels nicht in der gesetzlich gebotenen Weise eindeutig, sondern missver­ständlich und löse daher nicht den Ablauf der Widerrufsfrist aus. Die Widerrufsfrist ende um 24.00 Uhr des Ablauftages. Sie werde im Fall der Versendung eines Schreibens gewahrt mit der rechtzeitigen Absendung, etwa mittels Einwurfs in einen Briefkasten bis 24.00 Uhr. Das stelle der Klammerzusatz „Datum des Poststempels“ allerdings gerade in Frage. Denn daraus ergebe sich der Anschein, dass für die Wirksamkeit eines Widerrufs das Schreiben auch mit einem Poststempel versehen sein musste, der mindestens das Datum des letzten Tages der Frist trug. Es sei deshalb denkbar, dass der so „belehrte“ Verbraucher aufgrund einer Missdeutung davon absah, eine (noch) vorhandene Wider­rufs­mög­lichkeit zu nutzen, weil er zu Unrecht meinte, er könne sein Widerrufsrecht nicht mehr fristgemäß ausüben, weil ein Poststempel mit dem Datum des Absendetages nicht mehr erlangt werden konnte.

Mit seiner Klage hatte das Ehepaar dennoch nur zum Teil Erfolg. Sie erhielten nicht – wie beantragt – die Einlage in voller Höhe zurück, sondern nur ein Abfin­dungs­guthaben von rund 3.500 Euro. Zwar bestehe, so das Gericht, nach dem Widerruf von Haustür­ge­schäften grundsätzlich ein Anspruch auf Rückzahlung der erbrachten Leistungen. In dem jetzt entschiedenen Fall war jedoch die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Kläger sich an einer Gesellschaft (GmbH & Co. KG) beteiligt hatten, die in den folgenden Jahren auch nach außen in Erscheinung getreten ist. Das Vertrauen der Gesell­schafts­gläubiger und der Mitge­sell­schafter auf den Bestand der Gesellschaft sei nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung schutzwürdig. Deshalb habe ein Gesellschafter, der sich auf die Unwirksamkeit seines Beitritts beruft, lediglich das Recht, sich für die Zukunft von seiner Beteiligung zu lösen und ein nach den Grundsätzen gesell­schafts­recht­licher Abwicklung zu ermittelndes Abfin­dungs­guthaben zu verlangen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 12.04.2006

der Leitsatz

Enthält die schriftliche Belehrung über die Einhaltung der Widerrufsfrist bei Haustür­ge­schäften nach der Formulierung "Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs ..." den Klammerzusatz "(Datum des Poststempels)", ist die Belehrung nicht in der gesetzlich gebotenen Weise eindeutig, sondern missver­ständlich und löst daher nicht den Ablauf der Widerrufsfrist aus.

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