Dokument-Nr. 2975
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Oberlandesgericht Nürnberg Urteil22.12.1994
Verlust des Versicherungsschutzes durch unwahre Angaben in der SchadensmeldungVollständiger Leistungsausschluß selbst dann, wenn sich die Unwahrheit finanziell nur in einem Bruchteil der Versicherungssumme niedergeschlagen hätte
Bewußt falsche Angaben in einer Schadensanzeige gefährden den Versicherungsschutz. In der Kaskoversicherung können sie sogar zum v o l l s t ä n d i g e n Leistungsausschluß führen, - sogar dann, wenn der dadurch eintretende Verlust des Versicherungsnehmers um ein Vielfaches höher ist als der Vorteil, den er sich durch seine unrichtigen Auskünfte versprochen hat.
Diese strenge Linie der Rechtsprechung bekräftigte der Versicherungssenat des Oberlandesgerichts Nürnberg. Die Richter gaben damit einer Versicherungsgesellschaft recht, die sich unter Berufung auf vorsätzlich falsche Angaben ihres Kunden geweigert hatte, Ersatz für sein in Italien gestohlenes Fahrzeug zu leisten.
Der Autofahrer hatte in seiner Schadensmeldung zwei kleinere Reparaturen verschwiegen, obwohl im Vordruck ausdrücklich auch nach reparierten Vorschäden gefragt war. Vermutlich befürchtete er, bei Bekanntgabe der Vorschäden Abstriche an seiner Entschädigung hinnehmen zu müssen. Da die vom Kläger unterschriebene Schadensanzeige einen deutlich sichtbaren Hinweis auf die Folgen unwahrer Angaben enthielt, sah das Gericht weder eine rechtliche Möglichkeit noch einen Anlaß, das Verhalten der Versicherungsgesellschaft zu beanstanden. Der Gesichtspunkt, daß die verschwiegenen Reparaturaufwendungen (ca. 1.500 DM) nicht einmal 1/10 des Fahrzeugwertes (17.900 DM) ausmachten, spiele angesichts des vorsätzlichen und damit grob schuldhaften Fehlverhaltens des Klägers keine Rolle, betonte das Oberlandesgericht in seiner inzwischen rechtskräftigen Entscheidung.
Der aus Italien stammende Kläger war Anfang 1992 zu Besuch bei seinen Eltern in der Gegend von Neapel. Dort - so behauptete er - wurde ihm das ordnungsgemäß verschlossene und auf öffentlicher Straße abgestellte Fahrzeug gestohlen. Nach Deutschland zurückgekehrt, meldete er den Diebstahl seiner Versicherung. Beim Ausfüllen der Schadensanzeige ließ er sich von einen Landsmann helfen, der ihm auch Übersetzerdienste leistete. In der Folgezeit weigerte sich die Versicherung, für den Schaden aufzukommen. Wegen angeblicher Ungereimtheiten beim Verbleib der Fahrzeugschlüssel bezweifelte sie, daß es überhaupt einen Diebstahl gegeben habe. Wenn doch, dann müsse sich der Autofahrer grobe Fahrlässigkeit vorwerfen lassen, weil er sein Fahrzeug in Süditalien unbeaufsichtigt auf offener Straße habe stehen lassen. Unabhängig davon habe der Autobesitzer seinen Entschädigungsanspruch schon deshalb verwirkt, weil er die beiden Vorschäden bewußt verschwiegen habe.
Mit den beiden ersten Einwänden drang die Versicherung vor Gericht nicht durch. Für einen fingierten Diebstahl fehlte es nach Auffassung der Richter an stichhaltigen Anhaltspunkten. Auch reiche der Umstand, daß jemand ein nicht allzu hochwertiges Auto in Süditalien unbeaufsichtigt auf offener Straße abstelle, für sich allein genommen nicht aus, um sein Verhalten schon als grobfahrlässig zu bewerten. Somit stand und fiel die Leistungsfreiheit der Versicherung mit der Entscheidung, ob der Kläger durch das Verschweigen der zwei Vorschäden vorsätzlich gegen seine Obliegenheiten als Versicherungsnehmer verstoßen hatte. Dies war nach Überzeugung des Gerichts der Fall.
Die Frage im Vordruck war unmißverständlich: "Hatte das Fahrzeug schon einen Schaden? (Bitte auch angeben, wenn repariert) Bitte Art und Umfang angeben und - falls repariert Reparaturrechnungen beifügen." Der Kläger antwortete mit "nein", obwohl sein PKW im Jahr 1990 zweimal beschädigt und repariert worden war. Aufgrund der Beweisaufnahme hielt es der Senat für erwiesen, daß der Kläger den Sinn der Frage sehr wohl verstanden und sich bewußt für eine unrichtige Antwort entschieden hatte.
Die Falschangaben hätten gleichwohl folgenlos bleiben können, nämlich dann, wenn sie von vornherein nicht geeignet gewesen wären, schutzwürdige Belange des Versicherers zu verletzen. Dies wäre etwa dann der Fall gewesen, wenn sich das Verschweigen der Vorschäden auf den Leistungsanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach hätte auswirken können.
Doch auch dieser Gesichtspunkt half dem Kläger hier nicht weiter. Denn trotz ordnungsgemäßer Reparatur wären die beiden Vorschäden bei der Ermittlung des Fahrzeugwertes zu berücksichtigen gewesen und hätten die Entschädigungssumme nach unten gedrückt. Auch wenn die Kürzung nur gering ausgefallen wäre, - die Falschangaben hätten sich bei der Preisabsprache auswirken können und wären somit versicherungsrechtlich "relevant" * geworden. Schon vergleichsweise geringfügige Auswirkungen können aber ausreichen, um in Fällen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzungen den Versicherungsanspruch vollständig entfallen zu lassen.
Somit hatte der Autobesitzer nur noch eine Chance: Er mußte das Gericht davon überzeugen, daß ihm die Versicherungsgesellschaft den drohenden Verlust seiner Ansprüche nicht deutlich genug vor Augen geführt hatte. Denn zugunsten des Versicherungsnehmers läßt die Rechtsprechung die weitreichenden Folgen einer "Obliegenheitsverletzung" nur dann eintreten, wenn ihn der Versicherer hierüber klar und unmißverständlich belehrt hatte.
Aber auch hier standen die Karten des Klägers schlecht. Auf dem Fragebogen war klipp und klar und sogar im Fettdruck zu lesen, welche Konsequenzen unwahre Angaben nach sich ziehen konnten. Zwar war die Belehrung in deutsch abgefaßt. Das genügt aber nach Auffassung des OLG Nürnberg auch bei einem Ausländer. Wenn der Kläger die Belehrung nicht verstand, dann wäre es seine Sache gewesen, sich genaue Kenntnis von ihrem Inhalt zu verschaffen, meinten die Richter. Im übrigen verstehe es sich von selbst, daß man Fragen in einer Schadensanzeige wahrheitsgemäß beantworten müsse.
Der Versicherungssenat des Oberlandesgerichts Nürnberg wies deshalb die Klage des Autofahrers als unbegründet ab und erlegte ihm zusätzlich auch noch die Verfahrenskosten auf.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.03.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Nürnberg
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