24.11.2024
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Dokument-Nr. 2985

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Oberlandesgericht Nürnberg Urteil08.12.1995

Baum-Wurzeln im Nachbar-Grundstück - Apfelbaum verursacht Überschwem­mungs­schädenBaumwurzeln zerstören unerkannte Abwasserleitung - Keine übertriebenen Sorgfalts­pflichten

Wer in seinem Garten einen Baum pflanzen will, muß - sofern er keine Anhaltspunkte dafür hat - nicht damit rechnen, daß unter der Pflanzstelle eine Rohrleitung verläuft, die durch Wurzeln verstopft werden könnte. Er braucht also nicht erst ein tiefes Loch zu buddeln, um sich zu vergewissern, daß nach unten hin alles frei ist. Verursachen die Baumwurzeln später eine Rohrverstopfung und kommt es infolge des Rückstaus zu einer Überschwemmung im Nachbarhaus, so ist der Baumbesitzer für den Wasserschaden nicht verantwortlich. Das stellte das Oberlan­des­gericht Nürnberg in einem Zivilurteil klar.

Dieser Grundsatz gilt jedoch nur dann, wenn die Rohrverstopfung noch auf dem eigenen Grundstück des Baumeigentümers aufgetreten ist. Haben sich die Wurzeln dagegen auf das Nachba­r­grundstück ausgebreitet und sind dort in die Leitung hineingewachsen, dann kommt durchaus eine Haftung des Baumbesitzers in Betracht, befanden die OLG-Richter.

Der Beklagte hatte den Baum bereits Anfang der 60er Jahre gepflanzt. Drei Jahrzehnte lang konnte er sich seines Anblicks ungestört erfreuen und seine Früchte genießen. Doch Anfang vergangenen Jahres war es mit der Idylle vorbei: Der Apfelbaum geriet in Verdacht, in einem nahe gelegenen Wohnhaus eine Keller­über­schwemmung ausgelöst zu haben. Die Baumwurzeln, so vermutete der Hausbesitzer, hatten im Laufe der Jahre eine Rohrleitung verstopft. Dadurch sei es zu einem Rückstau gekommen. Mit dem Vorwurf, der Grund­s­tücks­ei­gentümer habe den Apfelbaum schuldhaft über der Rohrleitung gepflanzt, verlangte der Geschädigte vom Baumbesitzer 12.000 DM Schadensersatz.

Der Beklagte wies jede Schuld von sich. Er bezweifelte schon, daß der Rückstau tatsächlich auf eingedrungene Baumwurzeln zurückzuführen war. Zur Verstopfung sei es vielmehr deshalb gekommen, weil die über 70 Jahre alte Rohrleitung an mehreren Stellen altersbedingt eingeknickt sei. Aber unabhängig davon: Man könne ihm doch nicht ernsthaft vorwerfen, daß er in seinem eigenen Garten einen Baum gepflanzt habe, ohne zuvor sein Grundstück umzugraben und nach eventuell vorhandenen Rohrleitungen zu suchen.

Diesem Standpunkt schloß sich auch das Oberlan­des­gericht Nürnberg an.

Der vom Hauseigentümer geltend gemachte Schaden­s­er­satz­an­spruch setze voraus, daß der Beklagte schuldhaft gehandelt habe, also zumindest fahrlässig. Davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein.

Grundsätzlich darf ein Grund­s­tücks­ei­gentümer seinen Besitz nach Belieben nutzen, sofern nicht das Gesetz oder Rechte anderer entgegenstehen. Dazu gehört auch das Recht, im Garten einen Baum zu pflanzen.

Daß im Streitfall ausgerechnet unter der Pflanzstelle eine Rohrleitung verlief, habe der Beklagte nicht gewußt. Zwar habe er sich vor Pflanzbeginn nicht vergewissert, daß die Wurzeln an dieser Stelle keinen Schaden anrichten konnten. Dieses Unterlassen könne man ihm aber nicht als schuldhaftes Versäumnis ankreiden. Die Sorgfalts­pflichten eines Grund­s­tücks­ei­gen­tümers würden weit überspannt, wollte man von ihm verlangen, vor dem Pflanzen eines Baumes erst einmal aufwendige Untersuchungen über die Existenz und den Verlauf von Rohrleitungen im eigenen Grundstück anzustellen.

Anmerkungen:

1. Die Entscheidung wäre vermutlich anders ausgefallen, wenn es um "grenz­über­schreitende Wurzeln" gegangen wäre, wenn also die Baumwurzeln über die Gartengrenze auf das Nachba­r­grundstück vorgedrungen wären und dort eine Abwasserleitung verstopft hätten. In einem solchen Fall haftet der Baumbesitzer für die Beein­träch­tigung des fremden Eigentums und muß für die Kosten einer neuen Abwasserleitung aufkommen (BGH NJW 1986 S. 2640).

2. Ebenso wäre möglicherweise zu entscheiden gewesen, wenn der Baumeigentümer vertraglich oder durch eine Grund­dienst­barkeit verpflichtet gewesen wäre, die Rohrleitung in seinem Grundstück zu dulden. Das war jedoch nicht der Fall. Vielmehr wurde die Leitung schon vor Jahrzehnten gelegt, anscheinend auf Gefäl­lig­keitsbasis und ohne dauerhafte Rechtsgrundlage.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Nürnberg

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