21.11.2024
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Dokument-Nr. 2991

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Oberlandesgericht Nürnberg Urteil20.06.1995

Händler muss angepriesene Sonderangebote während der Verkaufsaktion in ausreichender Menge bereithaltenAndernfalls unlauterer Wettbewerb - Verbot der irreführenden Werbung

Wirbt ein Händler mit attraktiven Sonderangeboten, dann muß er die angepriesenen Waren in ausreichender Menge bereithalten. Hierzu gehört auch, daß er den Warenbestand während der Verkaufsaktion laufend überwacht und notfalls ergänzt. Hält sich der Händler nicht daran, können ihn Konkurrenten, Verbrau­cher­schutz­verbände oder andere dafür zuständige Stellen auf Unterlassung seiner irreführenden Werbung verklagen.

Weil es diese Grundsätze nicht genügend beachtet hatte, handelte sich ein bundesweit verbreitetes Unternehmen eine Rüge des Oberlan­des­ge­richts Nürnberg ein: Wegen unlauteren Wettbewerbs wurde der Firma gerichtlich verboten, künftig noch einmal eine ähnliche Werbeaktion zu starten, ohne für einen ausreichenden Warenvorrat zu sorgen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung droht den Verant­wort­lichen des Unternehmens nun ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM, im schlimmsten Fall sogar eine mehrmonatige Ordnungshaft.

Auslöser des Rechtsstreits war ein zweiwöchiger „Jubiläums-Verkauf". Im Zuge ihrer Sonderaktion warb die Beklagte in Hauswurf­sen­dungen für eine Autofocus-Kamera zum „Jubel-Preis" von 175 DM. Um die besondere Attraktivität des Angebots zu unterstreichen, stellte sie ihrem eigenen Preis die „unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers" gegenüber. Diese war mit 349 DM fast doppelt so hoch. In der Tat fand die Kamera großen Zuspruch. Statt ein bis zwei Stück pro Monat, wie üblich, verkaufte die Filiale schon in den ersten 10 Tagen mindestens 27 Exemplare. Damit war der kalkulierte Anfangsvorrat nahezu erschöpft. Als am viertletzten Tag der Sonderaktion ein weiterer Kunde nach der Kamera verlangte, ging er leer aus.

Über sein Mißgeschick war der vermeintliche Kaufinteressent aber keineswegs traurig.Ganz im Gegenteil: Mit seiner vergeblichen Nachfrage hatte er sein eigentliches Ziel erreicht. In Wirklichkeit handelte es sich nämlich um den Testkäufer eines Konkur­ren­z­un­ter­nehmens.

Kurze Zeit später erhielt die Beklagte vom Rechtsanwalt der anderen Firma die Aufforderung, sich schriftlich zu verpflichten, künftig solche nicht einlösbaren Werbeaussagen zu unterlassen. Dieses Ansinnen lehnte die Beklagte ab. Daraufhin kam es zum Prozeß.

Der Wettbe­wer­bssenat des Oberlan­des­ge­richts Nürnberg gab der Konkurrenzfirma recht.

Er warf der beklagten Handelskette vor, sie habe die öffentlich angepriesenen Fotoapparate in zu geringer Stückzahl bereitgehalten, zumindest aber nicht für genügend Nachschub gesorgt. Darin erblickten die Richter einen Fall irreführender Werbung und unlauteren Wettbewerbs. Sie verboten deshalb der Beklagten, künftig noch einmal „im geschäftlichen Verkehr zu Wettbe­wer­bs­zwecken befristet Fotoartikel zu bewerben, soweit die beworbenen Artikel innerhalb des angegebenen Zeitraums nicht vorrätig sind".

Rechtlicher Hintergrund aus Verbrau­chersicht:

Viele Verbraucher, die von einer zeitlich befristeten Werbeaktion angesprochen werden, gehen davon aus, daß sie die beworbenen Waren innerhalb des angegebenen Zeitraums im Geschäft kaufen und gleich mitnehmen können. Um dies zu gewährleisten, muß der Händler einen ausreichenden Anfangsvorrat bereitstellen. Diesen hat er so zu bemessen, daß er die erfahrungsgemäß zu erwartende Nachfrage befriedigen kann.

Damit ist es aber nicht getan, betonte das OLG Nürnberg. Vielmehr muß der Händler, solange die Aktion läuft, den Warenbestand laufend überwachen und bei Bedarf rechtzeitig auffüllen. Hält er sich an diese Regeln und kommt es gleichwohl zu unverschuldeten Lieferengpässen, dann braucht der Händler den Vorwurf eines Wettbe­wer­bs­ver­stoßes nicht zu fürchten. Andernfalls läuft er Gefahr, wegen irreführender Werbung im Sinne des „Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb" (UWG) belangt zu werden.

Vorliegend hatte die Filiale nach Meinung des Senats nicht genug unternommen, um der voraussehbaren Nachfrage Herr zu werden. Statt rechtzeitig für Nachschub zu sorgen, habe sie tatenlos zugesehen, wie ihr Vorrat an preislich herabgesetzten Fotoapparaten zur Neige ging. Die Auffrischung des Warenbestandes wäre um so dringender gewesen, als die letzte funkti­o­ns­tüchtige Kamera schon nach 10 Tagen über den Ladentisch ging, also mehrere Tage vor Ablauf der zweiwöchigen Werbeaktion. Von organi­sa­to­rischen Vorkehrungen, um solche Engpässe zu vermeiden, halte aber die Beklagte anscheinend wenig. Statt dessen habe sie sich einfach auf den Standpunkt gestellt: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."

Aufgrund dieses Verhaltens und dieser Einstellung bestehe Wieder­ho­lungs­gefahr. Infolgedessen sei der Unter­las­sungs­antrag des Konkur­ren­z­un­ter­nehmens zulässig und begründet, entschied das OLG Nürnberg.

Quelle: ra-online, OLG Nürnberg

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