Dokument-Nr. 25180
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- NJW-RR 2016, 349Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2016, Seite: 349
- NZV 2016, 318Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2016, Seite: 318
- Landgericht Dessau-Roßlau, Urteil02.04.2015, 4 O 880/12
Oberlandesgericht Naumburg Urteil30.09.2015
Auffahrunfall aufgrund riskanten Überholmanövers begründet Mitverschulden trotz zu geringem Sicherheitsabstand des AuffahrendenUm Hälfte verringerter Sicherheitsabstand trotz Sichtbehinderung kann Mitverschulden von 40 % begründen
Kommt es aufgrund eines riskanten Überholmanövers zu einem Auffahrunfall, muss sich der Auffahrende ein Mitverschulden anlasten lassen, wenn er einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten hat. Dieses Mitverschulden kann 40 % betragen, wenn der Sicherheitsabstand um die Hälfte verkürzt war und die Sicht auf das vorausgehende Verkehrsgeschehen durch einen Lkw mit Anhänger behindert war. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juni 2009 kam es auf einer Bundesstraße aufgrund eines riskanten Überholmanövers einer Pkw-Fahrerin zu einem Auffahrunfall. Die Pkw-Fahrerin versuchte ein vor ihr fahrendes Silofahrzeug zu überholen. Jedoch kam ihr ein Lkw mit Anhänger entgegen, so dass sie den Überholvorgang abbrechen musste. Der Lkw-Fahrer musste zur Vermeidung einer Kollision mit dem Pkw eine Vollbremsung einleiten. Ein hinter dem Lkw fahrender Motorradfahrer versuchte noch rechtzeitig ebenfalls zu bremsen, schaffte dies aber wegen eines zu geringen Sicherheitsabstands nicht und fuhr daher auf den Anhänger auf. Aufgrund der erlittenen Verletzungen klagte der Motorradfahrer gegen die Pkw-Fahrerin unter anderem auf Zahlung von Schmerzensgeld.
Landgericht gab Schmerzensgeldklage unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Motorradfahrers statt
Das Landgericht Dessau-Roßlau gab der Schmerzensgeldklage unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 2/3 zu Lasten des Motorradfahrers statt. Denn dieser habe einen zu geringen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Lkw eingehalten und somit den Unfall im erheblichen Maße verschuldet. Gegen diese Entscheidung legte der Motorradfahrer Berufung ein.
Oberlandesgericht reduziert Mitverschulden an Auffahrunfall auf 40 %
Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt entschied zu Gunsten des Motorradfahrers und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Zwar habe der Motorradfahrer einen erheblichen Verkehrsverstoß begangen, da er den gemäß § 4 Abs. 1 StVO erforderlichen Sicherheitsabstand zu dem vor ihm fahrenden Lkw nicht eingehalten habe. Jedoch falle dieser Verstoß deutlich weniger in Gewicht als der Verkehrsverstoß der Pkw-Fahrerin. Sie habe durch ihr riskantes Fahrmanöver den Auffahrunfall überhaupt ausgelöst. Sie habe § 5 Abs. 2 StVO nicht beachtet, wonach ein Überholen nur zulässig ist, wenn während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Angesichts dessen, dass der Sicherheitsabstand um die Hälfte verkürzt war und die Sicht auf das vorausgehende Verkehrsgeschehen durch den Lkw mit Anhänger behindert war, sei ein Mitverschulden des Motorradfahrers von 40 % gegeben.
Schmerzensgeld von 25.000 EUR
Unter Berücksichtigung der Mitverschuldens und der erlittenen Verletzungen erachtete das Oberlandesgericht ein Schmerzensgeld von 25.000 EUR für angemessen. Der Motorradfahrer erlitt einen Unterschenkelmehretagenbruch links, einen Schienbeinkopftrümmerbruch links, einen Polbruch der linken Kniescheibe, ein Kompartmentsyndrom des linken Unterschenkels, einen Stauchungsbruch des 12. Brustwirbelkörpers und eine Schädel-Hirn-Verletzung mit geringgradiger Hirnblutung. Zudem befand sich der Motorradfahrer 21 Tage in stationärer Behandlung und leidet nunmehr unter einen Dauerschaden in Form von bleibenden Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des linken Unterschenkels und Kniegelenks. Dadurch ist ein Erwerbsminderung von 30 % eingetreten. Ferner wird eine Gelenkflächenersatz bzw. eine Kniegelenkprothese notwendig sein.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.11.2017
Quelle: Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt, ra-online (vt/rb)
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