Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im September 2009 erlitt ein Passant erhebliche Verletzungen, da er in der Nähe eines Pferchs von einem Schaf von hinten angegriffen und umgestoßen wurde. Das Schaf brach aus dem mit einem Elektrozaun versehenen Pferch aus. In diesem befanden sich acht Schafe von zwei verschiedenen Haltern. Der Passant klagte aufgrund des Vorfalls gegen den einen Halter auf Schadenersatz.
Das Landgericht Kempten gab der Klage statt. Zwar habe nicht festgestellt werden können welches der Tiere konkret den Pferch verlassen hatte, darauf sei es aber nicht angekommen. Denn der beklagte Tierhalter hafte nach §§ 833, 830 Abs. 1 Satz 2 BGB auch dann, wenn eine genaue Zurechnung nicht mehr möglich ist. Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte Berufung ein.
Das Oberlandesgericht München bestätigte das erstinstanzliche Urteil und wies die Berufung des Beklagten zurück. § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB sei auch dann anwendbar, wenn sich nur bei einem Tier die Tiergefahr konkret schadensverursachend verwirklicht hatte, es sich aber nicht mehr feststellen lasse, bei welchem von mehreren verschiedenen Haltern zuzuordnenden Tieren. Voraussetzung dafür sei, dass dieses Tier zu einer gemeinsamen Herde von Tieren verschiedener Halter gehört, sich in einem gemeinsamen Pferch befindet oder anderweitig einer einheitlichen und gemeinsamen Überwachung unterliegt.
Die Haftung beider Tierhalter habe sich daraus ergeben, so das Oberlandesgericht weiter, dass sie Dritte durch die Haltung der Tiere der von einem Tier ausgehenden, nur unzureichend beherrschbaren Gefahr aussetzten. Beide Halter haben ihre Schafe in einem gemeinsamen Pferch untergebracht, der nicht ständig überwacht wurde. Sie haben daher gemeinsam eine auf den konkreten Ort und die konkrete Situation bezogene Gefahrenlage geschaffen. Der enge organisatorische Zusammenhang zwischen den beiden Tierhaltern und die große örtliche Nähe aller Tiere zum Schadensort haben es gerechtfertigt, beide Tierhalter als Beteiligte im Sinn des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen.
Die aufgetretenen Beweisschwierigkeiten seien nach Auffassung des Oberlandesgerichts typisch für die Fälle, bei denen mehrere Personen deliktisch handeln. Der Zweck des § 830 BGB sei es gerade, in diesen Fällen Urheberzweifel hinsichtlich des eingetretenen Schadens aus vorrangigen Gerechtigkeitsinteressen zu überwinden. Es sei gerechter, alle haften zu lassen, als den Geschädigten leer ausgehen zu lassen (BGH, Urt. v. 15.12.1970 - VI ZR 121/69).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.11.2013
Quelle: Oberlandesgericht München, ra-online (vt/rb)