15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Köln Beschluss15.07.2005

Auszug von Verteidigern aus der Haupt­ver­handlung in "prozessualer Notwehr"OLG Köln entscheidet im Aachener "Bandidos/Hell's Angels"-Strafverfahren über Beschwerden der Angeklagten und der Verteidiger

In dem beim LG Aachen anhängigen "Bandidos/Hell´s Angels"-Strafverfahren hatten die Verteidiger von drei der damals insgesamt vier Angeklagten in der Haupt­ver­handlung vom 2. Mai 2005 wegen eines von ihnen reklamierten "prozessualen Notwehrrechts" die laufende Sitzung verlassen und angekündigt, erst zu einem späteren Zeitpunkt desselben Tages zurückzukehren. Die zuständige Strafkammer hatte daraufhin Aussetzungs- und Abtren­nungs­be­schlüsse bezüglich dieser Angeklagten sowie Kosten­be­schlüsse zum Nachteil ihrer Verteidiger erlassen und zudem die bisherigen Pflicht­ver­teidiger der Angeklagten von ihren Aufgaben entbunden. Die gegen diese Entscheidungen gerichteten Beschwerden der Angeklagten und der Verteidiger hat das OLG Köln mit mehreren - rechtskräftigen - Beschlüssen vom 15. Juli 2005 im Wesentlichen zurückgewiesen:

Den Angeklagten S., Horst W. und Rudi W. wird bandenmäßiger Handel mit Betäu­bungs­mitteln in zahlreichen Fällen sowie - bezüglich S. - unerlaubte Einfuhr von Betäu­bungs­mitteln vorgeworfen. Gegen sie sowie den inzwischen gesondert verurteilten früheren Mitangeklagten U. fand seit März 2005 die Haupt­ver­handlung vor der 1. großen Strafkammer des LG Aachen statt. Zwischen den Verteidigern der Angeklagten S., Horst W. und Rudi W. sowie dem Gericht kam es mehrfach zu Meinungs­ver­schie­den­heiten über prozessuale Fragen. Die Verteidiger hatten wiederholt um 90minütige Verhand­lungs­pausen gebeten, um damit in Zusammenhang stehende Anträge stellen zu können, was der Vorsitzende Richter unter Hinweis darauf, die spätere Anbringung dieser Anträge benachteilige die Verteidigung nicht, ablehnte. Am 10. Verhandlungstag (28.04.2005) erschienen die Verteidiger nach der Mittagspause auch bis zum Ablauf einer von ihnen zuvor angekündigten Verspätung nicht. Am Fortsetzungstag, dem 2. Mai 2005, stellten sie zunächst Ableh­nungs­anträge, deren Bescheidung die Strafkammer von Gesetzes wegen zurückstellte. Einen weiteren Antrag auf Unterbrechung der Sitzung zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Terminierung auf den 4. Mai 2005 lehnte die Kammer ab. Daraufhin verließen die zu diesem Zeitpunkt anwesenden Verteidiger der drei Angeklagten um 11.50 Uhr den Sitzungssaal. Der Angeklagte Horst W. übergab eine schriftliche Erklärung der Verteidiger, dass diese erst um 14.30 Uhr wieder an der Sitzung teilnehmen würden, weil sie die Zwischenzeit zur Begründung der Beschwerde gegen die Terminierung auf den 4. Mai 2005 benötigten. Für den Angeklagten Horst W. war inzwischen seine Mitver­tei­digerin erschienen. Die Kammer beschloss daraufhin, das Verfahren gegen die beiden Angeklagten S. und Rudi W. abzutrennen und auszusetzen sowie ihren Verteidigern die durch die Aussetzung entstandenen Kosten aufzuerlegen. Nachdem im weiteren Verlauf der Sitzung auch die Mitver­tei­digerin des Angeklagten Horst W. - erfolglos - um eine Sitzungs­un­ter­brechung bis 14.30 Uhr gebeten und sodann ebenfalls den Saal verlassen hatte, beschloss die Kammer die Aussetzung und Abtrennung auch des Verfahrens gegen diesen Angeklagten, erlegte dessen Verteidigern gleichfalls die Kosten auf und setzte das Verfahren gegen den Mitangeklagten U. fort. In der Folgezeit entpflichtete der Vorsitzende der Strafkammer die (Pflicht-)Verteidiger der drei Angeklagten S, Horst W. und Rudi W. mit Rücksicht auf das Verhalten der Anwälte in der Haupt­ver­handlung und ordnete neue Pflicht­ver­teidiger bei. Das Strafverfahren gegen den Mitangeklagten U. ist zwischen­zeitlich durch Verurteilung zum Abschluss gebracht worden.

Mit ihren Rechtsmitteln beanstandeten die drei Angeklagten S., Horst W. und Rudi W. im Wesentlichen die sie betreffenden Aussetzungs- und Abtren­nungs­ent­schei­dungen, die Entpflichtung der bisherigen und die Bestellung neuer Pflicht­ver­teidiger. Die Verteidiger der drei Angeklagten wandten sich mit ihren im eigenen Namen eingelegten Rechtsmitteln gegen die Auferlegung von Kosten zu ihren Lasten. Diese Rechtsmittel der Angeklagten und ihrer Verteidiger sind vor dem OLG Köln überwiegend erfolglos geblieben. Im Einzelnen hat der zuständige Strafsenat - neben weiteren Beschwer­de­punkten - Folgendes entschieden:

Die Beschwerden der Angeklagten gegen die Aussetzungs- und Abtren­nungs­ent­schei­dungen der Strafkammer sind auf Kosten der Beschwer­de­führer als unzulässig verworfen worden. Bei den angegriffenen Beschlüssen handele es sich um Entscheidungen des erkennenden Gerichts in der laufenden Haupt­ver­handlung, die von Gesetzes wegen nicht der Beschwerde unterlägen. Soweit die Rechtsprechung in Ausnahmefällen eine Beschwerde zulasse, lägen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Abtrennung und Aussetzung seien zur Förderung des Verfahrens erfolgt, insbesondere um das Verfahren gegen den Mitangeklagten U. durch die am 2. Mai 2005 anstehende Zeugen­ver­nehmung fortsetzen zu können. Angesichts des Verhaltens der Verteidiger seien Abtrennung und Aussetzung auch keine willkürlichen Maßnahmen des Gerichts gewesen (Az. 2 Ws 223-224/05, 2 Ws 232/05 OLG Köln).

Die Beschwerden der Verteidiger gegen die Auferlegung der mit der Aussetzung des Verfahrens verbundenen Kosten sind auf Kosten der Anwälte verworfen worden. Die Verteidiger hätten sich prozess­ord­nungs­widrig und pflichtwidrig aus der Haupt­ver­handlung entfernt. Sie hätten bewusst und gewollt gegen die straf­pro­zes­sualen Regeln verstoßen. Ein "prozessuales Notwehrrecht" wegen angeblicher Verfah­rens­verstöße des Gerichts, das die Verteidigung geltend mache, gebe es nicht. Im Übrigen sei das Vorbringen der Verteidiger hierzu auch nicht stichhaltig, weil - wie der Strafsenat des OLG Köln im Einzelnen ausgeführt hat - kein prozess­ord­nungs­widriges Verhalten der Kammer erkennbar sei (Az. 2 Ws 237-240/05, 243-244/05 OLG Köln).

Die Verfügung des Straf­kam­mer­vor­sit­zenden betreffend die Entpflichtung der bisherigen (Pflicht-)Verteidiger ist hinsichtlich der beiden Angeklagten S. und Rudi W. aufgehoben worden. Diese Maßnahme sei allerdings zum Zeitpunkt ihrer Anordnung wegen des grob pflichtwidrigen Verhaltens der Verteidiger gerechtfertigt gewesen. Lediglich mit Rücksicht darauf, dass die Verteidiger jedenfalls dieser beiden Angeklagten durch entsprechende ausdrückliche Erklärungen gegenüber dem OLG Köln für die Zukunft den Missbrauch prozessualer Rechte ausgeschlossen hätten, sei ihre Entpflichtung zur Sicherung des künftigen Verfahrens derzeit nicht mehr erforderlich. Die Strafkammer sei freilich nicht gehindert, bei einem diesen Erklärungen wider­spre­chenden zukünftigen Verhalten erneut prozess­si­chernde Anordnungen zu treffen. Da die Pflicht­ver­tei­digerin des Angeklagten Horst W. keine Erklärung zu ihrem künftigen Prozess­ver­halten abgegeben habe, müsse es zudem bei ihrer Entpflichtung verbleiben (Az. 2 Ws 280-282/05 OLG Köln).

Die Beschwerden der drei Angeklagten gegen die Beiordnung neuer Pflicht­ver­teidiger sind auf Kosten der Angeklagten verworfen worden. Ungeachtet der teilweisen Aufhebung der Entpflichtung der bisherigen Pflicht­ver­teidiger durch den Vorsitzenden der Strafkammer sei die Bestellung der weiteren Pflicht­ver­teidiger aufrecht­zu­er­halten, weil deren Beiordnung zur Verfah­rens­si­cherung geboten erscheine (Az. 2 Ws 283-284/05, 2 Ws 286/05 OLG Köln).

Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 21.07.2005

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss748

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI