21.11.2024
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Oberlandesgericht Köln Urteil10.12.2019

Sachliche Ausein­an­der­setzung mit NS-Zeit rechtfertigt nicht Vergleich mit "Gashahn­auf­dreher"Vergleich mit "Gashahn­auf­drehern" stelle eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht dar

Der Vergleich eines Journalisten mit einem "Gashahn­auf­dreher" im Dritten Reich wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass dieser sich zuvor in einem Artikel mit der Frage beschäftigt hat, ob rechtes Gedankengut toleriert werden dürfe. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Köln auf die Revision der Staats­an­walt­schaft Bonn und hob damit einen Teilfreispruch des Landgerichts Bonn auf.

Im zugrunde liegenden Fall hatte sich ein Journalist in einem Online-Magazin mit dem Auftritt des AfD-Politikers Björn Höcke auf der Frankfurter Buchmesse unter dem Titel "Versteht es doch endlich: Rechtes Gedankengut darf nicht toleriert werden" beschäftigt. Daraufhin veröffentlichte der Angeklagte auf seiner Homepage einen Bericht, in dem er unter anderem bezogen auf den Journalisten formulierte: "Er tut dabei so, als hätten solche intoleranten Minder­ta­len­tierten und Mitläufer wie er, die anno Adolf mit absoluter Sicherheit eine Superkarriere als Gashahn­auf­dreher hingelegt hätten, irgendeine andere stalinistische Kackmeinung als die ihrige je toleriert."

Landgericht nimmt keine Ausreichende Abwägung zwischen Grundrechten des Angeklagten und Persön­lich­keitsrecht des Journalisten vor

Das Landgericht Bonn, das den Angeklagten wegen anderer Beleidigungen zu einer Gesamt­geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt hatte, hatte ihn in diesem Punkt freigesprochen. Das Oberlan­des­gericht Köln hob den Teilfreispruch auf und wies die Sache an das Landgericht Bonn zurück. Der Vergleich mit "Gashahn­auf­drehern" stelle eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht dar, mit der der Journalist ohne erkennbaren Ansatz in die Gruppe der Personen mit natio­nal­so­zi­a­lis­tischer Gesinnung gerückt worden sei. Während der Journalist ein gesell­schaft­liches Phänomen angesprochen habe, habe der Angeklagte allein die Person des Geschädigten in den Fokus genommen und diesem unterstellt, er wäre im NS-Unrechtsregime "Mitläufer" geworden. Der Artikel des Journalisten sei in Wortwahl und Ausdruck äußerst moderat und sachlich gefasst gewesen. Die Äußerungen des Angeklagten dagegen seien in der konkreten Form auch nicht unter dem Gesichtspunkt des "Rechts zum Gegenschlag" im geistigen Meinungskampf angezeigt. Auch die vom Angeklagten in Anspruch genommene Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG gelte nicht schrankenlos, sondern werde insbesondere durch die in Art. 1 GG garantierte Menschenwürde begrenzt. Insgesamt habe das Landgericht nicht ausreichend zwischen den Grundrechten des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG einerseits und dem Persön­lich­keitsrecht des Journalisten aus Art. 2 Abs. 1 GG abgewogen.

Quelle: Oberlandesgericht Köln/ra-online (pm/kg)

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